Klartext erforderlich

Das Unbehagen und die Proteste gegen den Ehrengast-Status der arabischen Welt auf der Frankfurter Buchmesse sind verständlich. Das weltweit ausgesetzte Kopfgeld für Salman Rushdie, die Verfolgung des ägyptischen Autors Hamid Abu Said, das Attentat auf Nobelpreisträger Nagib Mahfus: Sie sind noch zu deutlich in Erinnerung, um unbefangen mit der arabischen Liga umzugehen, die in Frankfurt als Partner fungiert.

Zumal auch die Alltags-Existenz arabischer Schriftsteller und Publizisten keineswegs von Freiheit und Demokratie geprägt ist. Aber wie soll sich das ändern, wenn nicht durch Dialog und Austausch? Die Welt besteht nun mal nicht nur aus der westlichen Wertegemeinschaft, wenn es die denn gibt. Wer hätte etwas davon, wenn man sich bei der Buchmesse darauf beschränkte, den Sonder-Gaststatus an ausgewiesene Demokratien wie Österreich oder die Schweiz zu verteilen? Die unterdrückten Schriftsteller im arabischen Raum sicher nicht. Die Organisatoren der Buchmesse haben dafür gesorgt, dass die Auswahl der Literaten, die die arabische Welt vertreten, auch Regime-Kritiker und Exilanten umfasst. Die arabische Liga hat die Zusammensetzung akzeptiert, schon das ist ein Fortschritt. Wenn die Schriftsteller und die Politiker in Frankfurt Klartext reden und sich nicht als Diplomaten versuchen, dann besteht keine Gefahr, dass Unterschiede verniedlicht und Gegensätze verkleistert werden. Es bleibt dennoch ein Risiko. Aber auch eine große Chance. Selbst wenn die Literatur nur eine winzige Nahtstelle ist: Sie könnte ein Feld des rationalen Austauschs zwischen islamischer und westlicher Welt eröffnen helfen. Und das wäre viel in Zeiten, da die Kulturen immer öfter mittels Bomben kommunizieren. d.lintz@volksfreund.de

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