Klima-Pflege

DieReaktionen der amerikanischen Gesprächspartner zeigen, dass dieCDU-Chefin zu Beginn ihrer USA-Reise den richtigen Ton gefundenhat, ohne sich jedoch anzubiedern. Zu einem Zeitpunkt, in dem dieAtmosphärezwischen Berlin und Washington durch verbale Ausfälleund Unhöflichkeiten auf beiden Seiten als vergiftet gelten mussund Vertreter der Bundesregierung offenbar bewusst den Weg überden Atlantik vermeiden, kann der Besuch Merkels nicht nur zueinem Abbau der Spannungen beitragen, sondern auch helfen,schädlichen Reaktionen wie Wirtschaftssanktionen oder einemWarenboykott vorzubauen. Diese Art von "Klima-Pflege" dürftedeshalb gerade besorgten deutschen Unternehmen wie gerufenkommen. Dass Merkel dabei auch die Strategie des Fundamental-Pazifismus gegenüber einem unberechenbaren Diktator in Frage gestellt und sich deutlich von der historischen Fehlleistung des deutschen Kanzlers distanziert hat, die bereits zur Destabilisierung von Nato und Europäischer Union beigetragen hat und Saddam Hussein zu weiterer Resistenz ermuntert haben dürfte, ist nur zu begrüßen. Warum heucheln, wo jeder weiß, wie es im Herzen der CDU-Chefin aussieht? Und warum nicht die jetzt eingebrachte weitere Resolution begrüßen, wenn längst klar geworden ist, dass Bagdad die Bedingungen der vorausgegangenen, bereits vier Monate alten Entschließung keinesfalls "vollständig und unverzüglich" erfüllt hat und somit - realistisch gesehen - nun wirklich nur eine Verschärfung der Drohkulisse Erfolg verspricht?

In einer solchen Situation Klartext zu reden, hat nichts mit

"Vasallentreue", sondern politischer Vernunft und Weitsicht zu tun, die nicht nur auf Wahltage und Umfrage-Ergebnisse fixiert sind. Die explizite Aufforderung Merkels an Washington, die Vereinten Nationen weiter als "Ort der Entscheidung" zu sehen, war dabei sicher gut gemeint. Ob dieser Appell jedoch auch Gehör findet? Angesichts der festgefahrenen Fronten im Sicherheitsrat, der unterschiedlichen Interpretationen über Erfolg oder Misserfolg der Abrüstungsbemühungen und der grundsätzlich auseinander laufenden nationalen Interessenlagen ist damit wohl am Ende nicht zu rechnen: Der Ort der Entscheidung wird Washington sein.

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