Kommentar: Späte Erkenntnis

Es ist ja alles so schön einfach: Der böse Mann heißt Mehdorn. Auf den Bahnchef verbal einzuprügeln, ist derzeit geradezu schick. Selten waren sich beispielsweise die Abgeordneten des rheinland-pfälzischen Landtags so einig wie vergangene Woche, als sie über Defizite bei der Deutschen Bahn sprachen, das Unternehmen nach Kräften beschimpften und ein Hinterbänkler gar die Ablösung des Bahn-Managers verlangte.

Und sicher, es gibt auch so einiges, was man der Bahn mit Recht vorhalten kann: eine misslungene Tarifreform zum Beispiel oder die nach wie vor hohe Zahl unpünktlicher Züge. Beim beklagenswerten Zustand vieler Bahnhöfe aber greift es zu kurz, einfach nur mit dem Finger auf das Ex-Staatsunternehmen zu zeigen. Denn der durchschnittliche deutsche Bahnhof ist 85 Jahre alt. Und in diesen 85 Jahren hatte bis auf die vergangenen knapp zehn Jahre der Privatisierung der Staat das Sagen bei allem, was den Bahnverkehr anging. Wenn also viele unserer großen Bahnhöfe und kleinen Stationen heute in einem maroden Zustand sind, dann ist das nicht Mehdorn & Co. anzulasten, sondern es ist ein Versagen just der Politiker, die so gerne auf der Bahn herumhacken. Denn in der Verkehrspolitik wurde und wird das Gleis immer noch stiefmütterlich behandelt. Wenn die Milliarden für Straßenbauprojekte verteilt werden, geht alljährlich das Gerangel los, will jeder für seine Region ein möglichst großes Stück vom Kuchen abhaben. Dass sich Kommunalpolitiker mit Resolutionen, Unterschriftensammlungen oder gar mit finanziellen Mitteln für ihren Bahnhof stark machen, ist dagegen nach wie vor eher die Ausnahme als die Regel. Und das gilt vor allem für die Region Trier, wie die Untersuchung der Bahn zeigt. Glücklicherweise hat offenbar mancherorts das Umdenken begonnen. Ob in Konz, Wittlich oder Trier - die Verantwortlichen merken, dass gerade in einer auf den Tourismus angewiesenen Region ein Bahnhof die Visitenkarte einer Gemeinde ist. Bitter nur, dass diese Erkenntnis erst jetzt kommt: Desinteresse hat dafür gesorgt, dass die Bahnhöfe herunter gewirtschaftet wurden. Leere Kassen werden wohl dafür sorgen, dass sich daran wenig ändert. m.schmitz@volksfreund.de

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