Kopf an Kopf

Drei Wochen vor der Wahl ist das Rennen zwischen George W. Bush und John Kerry um die unentschlossenen Wähler in den USA weiter offen. Keiner der Kandidaten hat sich bisher, glaubt man den Umfragen, einen klaren Vorsprung sichern können.

Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Die US-Bürger haben auf der einen Seite einen Amtsinhaber erlebt, der zögerlich, oft nach Worten ringend und seltsam defensiv in die heiße Phase des Wahlkampfs startete - und zuletzt die Schuld für Fehler nicht bei sich, sondern Untergeordneten suchte. Hinzu kommt, dass George W. Bush nun, konfrontiert mit dem hauseigenen Bericht zu den nicht aufzufindenden Massen-Vernichtungswaffen, eine neue Doktrin des vorbeugenden Krieges geprägt hat, die vorhandene Ängste in aller Welt noch steigern müsste. Denn seine heutigen Rechtfertigungsversuche für den Einmarsch in den Irak lassen sich so resümieren: Eine Invasion ist dann angemessen, wenn eine Nation beabsichtigen könnte, einer anderen etwas Schlechtes anzutun - selbst wenn dem verdächtigen Land dafür die Mittel noch fehlen und deshalb eine akute Bedrohung auszuschließen ist. John Kerry hat auf der anderen Seite versäumt, mit klarer Logik den Finger in die zahlreichen offenen Wunden des politischen Gegners zu legen. Noch immer wartet ein Teil der Wähler auf schlüssige Aussagen des Demokraten, der zwar immer wieder verdeutlicht hat, warum Bush keine zweite Amtszeit verdiene - aber selten genug den Bürgern einhämmert, warum ausgerechnet der Senator für eine bessere Präsidentschaft prädestiniert ist. Kerrys Kardinalfehler dürfte sein, auf kurz und prägnant formulierte Tages-Botschaften zu setzen, die auf einprägsame Medien-Schlagzeilen abzielen - doch dabei ein Langfrist-Konzept zu vernachlässigen. Wie sonst erklärt sich, dass er beispielsweise an einem Tag konstatiert, Saddam Hussein sei eine Bedrohung gewesen, während er am nächsten Tag lapidar feststellt, vom Irak sei keine Gefahr ausgegangen - und auch noch betont, er, Kerry, habe niemals seine Position zum Thema Irak geändert. Und sein jüngster Lapsus, die Bedrohung durch den Terrorismus als eine Art "Belästigung” des täglichen Lebens im Range von Prostitution oder organisiertem Verbrechen darzustellen, spielte einem Bush-Lager in die Hände, das nach jeder Chance sucht, Kerrys sicherheitspolitische Kompetenz in Frage zu stellen. Das alles verspricht drei Wochen bis zur Wahl, in denen die Schläge unter die Gürtellinie weiter zunehmen dürften. nachrichten.red@volksfreund.de

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