Krieg der Stellvertreter

Heide Simonis hat die Möglichkeiten der Selbstdemontage um eine peinliche Variante erweitert. Nach drei gescheiterten Abstimmungen noch ein viertes Mal zur Wahl anzutreten, hat die einstige "Landesmutti" zur lächerlichen Figur gemacht – unabhängig davon, welche taktischen Klimm- und Winkelzüge sich Grüne und SPD im Landtag noch ausdenken.

Heide Simonis hat die Möglichkeiten der Selbstdemontage um eine peinliche Variante erweitert. Nach drei gescheiterten Abstimmungen noch ein viertes Mal zur Wahl anzutreten, hat die einstige "Landesmutti" zur lächerlichen Figur gemacht – unabhängig davon, welche taktischen Klimm- und Winkelzüge sich Grüne und SPD im Landtag noch ausdenken. Doch sind die rot-grünen Akteure in Kiel tatsächlich machtbesessene Klammeraffen, die quasi festgeklebt auf ihren Sesseln aus der Verantwortung getragen werden müssen? Die Härte, mit der der Kampf um die Regierung im hohen Norden sofort nach dem hauchdünnen Wahlausgang entbrannte, deutet viel mehr auf einen politischen Stellvertreterkrieg hin, in dem bundespolitische Schlachten auf schleswig-holsteinischem Boden ausgetragen werden. So waren sich Union und FDP nicht zu schade, die – verfassungsrechtlich völlig unbestrittene – Option des Südschleswigschen Wählerverbandes in Frage zu stellen, Zünglein an der Waage zu spielen. Waren die unverhohlenen Drohungen an die Adresse des SSW bereits kein Ruhmesblatt politischer Kultur, so überschritt das Schüren von Ressentiments gegenüber der dänischen Minderheit bereits klar die Grenze zum perfiden Populismus. Die SPD wiederum zog – einen Wähler-Willen zum Wechsel kategorisch abstreitend – ihr Ding mit den Grünen gnadenlos durch, ohne eine stabile und handlungsfähige große Koalition im Interesse des Landes auch nur in Erwägung zu ziehen. Das Drehbuch der Kieler Posse wurde in den Berliner Parteizentralen geschrieben. Zu viel stand auf dem Spiel: Aus Sicht von Kanzler Gerhard Schröder, dem das Wasser bis zum Hals steht, darf Schleswig-Holstein nicht verloren gehen. Für die Opposition, die ihre Chance im Bund endlich kommen sieht, muss ein Machtwechsel her. In dieser Patt-Situation hat sich die ansonsten kluge Heide Simonis – eine der wenigen Frauen mit Format in der deutschen Politik – in grotesker Partei-Solidarität verheizen lassen. Angela Merkel darf sich dagegen berechtigte Hoffnungen machen: Über fünf Millionen Arbeitslose haben Schröders Ansehen gründlich demoliert, und beim grünen Koalitions-Partner ist – auch dank Joschka Fischers Visa-Dummheiten – der Lack ab. Jetzt richten sich alle Blicke auf Nordrhein-Westfalen: Dort entscheidet sich am 22. Mai, ob der Anfang vom Ende der rot-grünen Ära endgültig eingeläutet ist. r.jakobs@volksfreund.de

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