Kriegs-Lüge?

Langsam wird es offiziell - auch in der Sprachregelung der US-Regierung: Die Massen-Vernichtungswaffen Saddam Husseins, für George W. Bush und seinen engsten Verbündeten Tony Blair der wichtigste Kriegsgrund, waren zum Zeitpunkt des Feldzugs vermutlich nicht im Besitz des irakischen Diktators.

So lassen sich die Worte von US-Außenminister Colin Powell interpretieren, der aus seiner Skepsis jetzt keinen Hehl machte und damit auf Äußerungen des US-Waffeninspekteurs David Kay reagierte, die sogar noch eindeutiger waren und mit denen dieser konstatiert hatte: Er gehe davon aus, dass der Irak keine chemischen oder biologischen Waffen zu Beginn der Invasion besaß. Manifestiert sich damit auch, was die schärfsten Kritiker Bushs längst immer wieder als "Kriegslüge" bezeichnen? Dass beide Staatsmänner bewusst und vorsätzlich die Weltgemeinschaft getäuscht hätten, ist ein schwerer Vorwurf - und derzeit von der Faktenlage her ebenso wenig belegbar wie die Existenz jener gewaltigen Waffenarsenale, von denen die US-Regierung während der UN-Debatte kurz vor dem Einmarsch noch ausging. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass Bush und Blair zum einen geschönten Geheimdienst-Informationen folgten, die von unter starkem Erfolgsdruck gesetzten Sicherheitsdiensten geliefert worden waren, und zum anderen diese Dossiers dann in der öffentlichen Präsentation nach dem politischen Ziel ausrichteten, ohne die Angaben zuvor ausreichend in Frage zu stellen. Und erinnern wir uns: Das Tauziehen vor der Uno ging zuletzt ja nicht um die Frage, ob der Irak Waffen-Programme besitzt, sondern wie man dieser Herausforderung am besten begegnet - durch eine Fortsetzung der Kontrollen oder eine rasche Intervention. Auch der Bundesnachrichtendienst war - wie übrigens auch Frankreichs Sicherheitsbehörde - bis zuletzt davon überzeugt, dass Saddam Hussein an Massen-Vernichtungswaffen arbeitete, darunter auch im nuklearen Bereich. Statt dem Begriff der "Kriegs-Lüge" wäre also derzeit allenfalls das Wort "Irrtum" angemessen - eine Wertung, die nicht nur für die Befürworter des Waffengangs, sondern auch einen Teil der prominenten Gegner gelten müsste. nachrichten.red@volksfreund.de

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