Lahme Sechzehntakter

Kann der Mann denn nicht endlich die Finger von den Tasten lassen? Selbst die Malteser, bei allem Respekt für das Mittelmeervolk eine in musikalischer Hinsicht klangmäßig nicht gerade herausragende Nation, haben dem zwanghaften Dauertöner Ralph Siegel die kalte Schulter gezeigt, sprich: den eigens erbetenen Beitrag für den diesjährigen Grand-Prix-Zirkus in Istanbul auf die musikalische Müllhalde entsorgt.

Ist der Mann jetzt klanglich geheilt? Keineswegs. Prompt gescheitert, verkündet er, im nächsten Jahr wieder Notenpapier vollzukritzeln, falls Malta ihn ruft. Ein echte Kämpfernatur eben. Gibt nicht auf, auch wenn‘s immer hoffnungsloser wird. Denn seine Sechzehn-Takter - so viel umfasst der Refrain eines herkömmlichen Pop-Songs (und Siegels Songs sind sehr herkömmlich!) - werden von Jahr zu Jahr unanhörlicher. Gut, letztes Jahr in Riga hat er noch Platz zwölf ergattert, solides Mittelfeld also, für ... wie hieß doch noch gleich der Song? Kann mal jemand den Anfang summen? Drei Jahrzehnte lang hat er die Grand Prix-Gemeinde mit seinen Tonschöpfungen genervt, und sie hat es stumm ertragen. Zugegeben, manchmal lag er ja ziemlich weit vorne. Aber bei dem allgemeinen Wettbewerbs-Songniveau ist das etwa so, als habe er als einziger unter lauter Mangelhaft die Vier Minus gekriegt. Einmal durfte er die Eurovisions-Trophäe sogar mit nach Hause nehmen. Danach hätte auch er besser ein bisschen Frieden gegeben. Aber nö, der Flügel steht ja noch zu Hause ‘rum, und das ist für manchen Gesanguiniker genauso gefährlich wie der geheime Weinvorrat im Keller eines die Abstinenz probierenden Alkoholikers. Seien wir also nachsichtig und lassen ihn weiterklimpern. So lange die Ergebnisse so schnell vergessen werden, können sie schließlich nicht viel Schaden anrichten. r.nolden@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort