Liebe Leserin, lieber Leser!

Es war 1991. Unsere 20-köpfige Chefredakteurs-Runde, die es bereits seit Konrad Adenauers Zeiten in wechselnder Zusammensetzung gibt, tagte im Bonner Regierungsviertel in der obersten Etage des Restaurants "Tulpenfeld". Dort trafen wir uns drei- bis viermal im Jahr zu drei oder vier Hintergrundgesprächen mit Vertretern von Koalition und Opposition.

Heute geschieht dies natürlich in Berlin. Eingeladen zu einem solchen Gespräch war damals eine 37-jährige Politikerin namens Angela Merkel, die Bundeskanzler Helmut Kohl kurz zuvor als Bundesfamilienministerin ("Mein Mädchen") in sein Kabinett aufgenommen hatte. Vielleicht etwas verunsichert durch unsere reine Herren-Runde, erlebten wir eine fast schüchtern zu nennende, etwas unsicher wirkende junge Frau in einem Graue-Maus-Outfit, deren Antworten auf unsere Fragen sich seltsam gestelzt anhörten. Keiner aus unserer Runde konnte sich damals vorstellen, dass sich diese junge Frau auf Dauer im Bonner Politik-Betrieb würde halten können. Welch ein Irrtum! Wenn man beobachtet hat, was für eine souveräne Figur Angela Merkel in den vergangenen Monaten auf der weltpolitischen Bühne als Vorsitzende von G 8 und EU gemacht hat, und das mit ihrem Auftreten gerade einmal 16 Jahre zuvor vergleicht, der glaubt, eine andere Frau vor sich zu haben. Aus 40 Berufsjahren als Journalist ist mir kein vergleichbarer Fall aus der Politik bekannt.Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.

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