Lippenbekenntnisse

Alle klagen, das deutsche Steuersystem sei zu kompliziert. Ständig kommen neue Vorschläge auf den Tisch, alle applaudieren artig, klopfen dem Autor anerkennend auf die Schulter. Das war es. Dann verschwinden die Ideen schnell wieder in der (Ministeriums-)Schublade. Auf die Frage, warum keiner beim deutschen Steuersystem durchblickt, bekommt man dann zur Antwort: Ja, wir haben ja einen Vorschlag vorgelegt, wie alles viel einfacher sein könnte, aber die bösen Politiker in Berlin, die wollen ja gar nicht, dass sich was ändert. Es ist wie bei jeder Reform in Deutschland. Es wird auf Teufel komm raus diskutiert und blockiert, es tut sich nichts, dann waren es wieder die anderen: Wir wollten ja, aber die böse Opposition, die hat alles kaputt gemacht. Aktuelles Beispiel Gesundheitsreform. Es wird immer nur so getan, als ob Deutschland reformfreudig wäre. Wissenschaftler werden mit Gutachten beauftragt, Arbeitsgruppen treffen sich, um neue Ideen zu entwickeln. Mit großem Tam-Tam werden die "revolutionären" Ideen präsentiert, die sich oft genug als kalter Kaffee erweisen. Es wird kurz drüber gesprochen, und dann verschwinden sie im medialen Kurzzeitgedächtnis. Daher wird sich am deutschen Steuersystem nichts ändern. Jedenfalls nichts, was die Steuererklärung einfacher macht. Niemand hat ernsthaftes Interesse daran, die unzähligen Schlupflöcher zu schließen und die Subventionen abzubauen. Der Schrei der Lobbyisten aus allen Lagern wäre zu groß, wenn ihr Klientel plötzlich keine Steuervorteile mehr hätte. Und daher sind alle Versprechungen, das Steuersystem zu vereinfachen, nur populäre Lippenbekenntnisse. Der nächste Vorschlag kommt bestimmt, alle applaudieren und es geht weiter wie bisher: Otto-Normalsteuerzahler verzweifelt an seiner Steuererklärung. b.wientjes@volksfreund.de

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