Löchrig wie Schweizer Käse

Als Hans Eichel 1999 Finanzminister wurde, begannen seine Berater sogleich, dem drögen Hessen ein ebenso dröges Image zu verpassen. Hans, der eiserne Sparer und Konsolidierer. Beim Wahlvolk kam das zu Recht gut an, weil der Minister dieses Bild wirklich überzeugend lebte.

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Foto: axentis.de / Georg J. Lopata (www.axentis.de )

Ehrlich und ungeschminkt redete er über die Finanzlage, und Hans hatte auch noch Glück dabei - an die aufgeblähten Milliarden aus den UMTS-Erlösen sei erinnert. Wie im Märchen also. Mittlerweile gehört Eichels Image in weiten Teilen in die Mottenkiste. Es war halt einmal... Seitdem die Wirtschaft aus den Niederungen des Minimal-Wachstums nicht herauskommen will, die Arbeitslosenzahlen nicht aufhören wollen zu steigen und - viel wichtiger - immer deutlicher wird, dass die Regierung mit ihren Konzepten wohl keine Trendwende schaffen wird, ist auch der Minister wieder ein anderer geworden: Hans, der Schönredner. Der Druck der nicht enden wollenden Probleme hat ihn vermutlich zu dieser alten Politikertugend zurückkehren lassen. Obwohl es jeder irgendwie besser wusste, hat Eichel über Monate kaum Abstriche von seiner fatalen "Alles wird gut"-Mentalität gemacht. Im Volksmund nennt man das "für dumm verkaufen". Vertrauen in die Solidität von Finanzpolitik schafft es jedenfalls nicht. Im Gegenteil. Nun wird Eichel von den längst absehbaren Realitäten immer schneller eingeholt: Wachstumsprognose wohl eindeutig falsch; Steuereinnahmen durch die Konjunkturkrise klar geringer als erhofft; Arbeitslosigkeit deutlich höher als angenommen; statt eines völlig unrealistischen Nullzuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit müssen mehrere Milliarden überwiesen werden. Und, und, und. Die Liste des Ignorierten, des entgegen allem wirtschafts- und finanzpolitischen Sachverstand Geschönten ist zweifellos länger. Eichel ist deswegen schon lange nicht mehr nur der Hans im Pech. Die Folgen liegen auf der Hand: Sein Bundeshaushalt 2003 wird ähnlich wie der des letzten Jahres löchrig wie ein Schweizer Käse sein. Zumal auch noch Lücken durch das deutlich abgemilderte Steuerpaket entstehen werden. Und sollten sich die Linken in der SPD durchsetzen, müsste der Minister die weiße Fahne noch heftiger schwenken. Alle Risiken zusammengenommen sind neue Schulden und ein Nachtragshaushalt also unausweichlich. Womit auch das ministerielle Gerede vom Einhalten der Maastricht-Kriterien in diesem Jahr als solches entlarvt wäre. Kommt es tatsächlich so, Eichel müsste der Glaubwürdigkeit wegen seinen Hut nehmen. Damit wäre er aber die wirklich tragische Figur einer Regierung, die es versäumt hat, parallel zum Konsolidierungsprozess auch die notwendigen und vor allem richtigen wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Reformen anzugehen. Die sich stattdessen eine mehrjährige Auszeit gegönnt hat, deren Folgen nun knallhart in der Kasse zu Buche schlagen. Und Eichel kippen könnten. nachrichten.red@volksfreund.de

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