Lokomotiven und Bremsklötze

BERLIN. Während Arbeitnehmer, Arbeitslose und Gewerkschaften in Deutschland unter den Reformen der rot-grünen Bundesregierung stöhnen, plant die CDU noch erheblich stärkere Einschnitte ins Arbeits- und Tarifrecht.

Die Agenda 2010 von Bundeskanzler Gerhard Schröder und die Sozialreformen des Hartz-IV-Gesetzes reichten bei weitem nicht aus, sagte der hessische CDU-Fraktionsvorsitzende Franz Josef Jung bei der Vorstellung des Papiers "Mehr Wachstum durch Arbeit in neuen Erwerbsstrukturen". Auch CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer betonte, das Arbeitsrecht müsse drastisch reformiert werden, um neue Beschäftigung zu schaffen. Das 45-seitige Papier, das von einer CDU-Arbeitsgruppe unter Jungs Leitung erstellt wurde und sich auf Ludwig Erhard beruft ("Wohlstand für alle"), listet detailliert auf, wie sich die CDU bei einer Regierungsübernahme die Erneuerung des Arbeitsmarkts vorstellt. "Wir müssen uns verändern", heißt es im Vorwort, "hin zu mehr Selbstverantwortung", damit die ehemalige Lokomotive Deutschland nicht länger "der Bremsklotz des Kontinents" bleibe. Wie man es richtig mache, könne man in den Nachbarstaaten Dänemark und Niederlande beobachten, die ihre Arbeitslosenzahlen in den vergangenen zehn Jahren fast halbiert hätten. Notwendig sind nach Ansicht der CDU-Reformer unter anderem eine Änderung des Tarifvertragsgesetzes, des Betriebsverfassungsgesetzes, des Teilzeit- und Befristungsgesetzes und des Arbeitszeitgesetzes. "Abweichungen von den Flächentarifverträgen müssen zugelassen werden", heißt es. Außerdem müsse ermöglicht werden, Arbeitnehmer während der Probezeit unter Tarif zu beschäftigen. Das sei ein probates Mittel, um Beschäftigungsschranken für Langzeitarbeitslose abzubauen. Öffnungsklauseln, Einsteigertarife und Gewinnbeteiligungsmodelle seien jedenfalls erforderlich, um dem Arbeitsmarkt "die notwendigen Impulse geben zu können". Rückgängig machen will die CDU die von Rot-Grün durchgesetzte Reform des Betriebsverfassungsgesetzes. Insbesondere die Vorschriften zur erhöhten Anzahl von Betriebsratsmitgliedern und die herabgesetzten Schwellenwerte für freigestellte Betriebsräte müssten wieder zurückgeführt werden. Zusätzlich müsse der Katalog der Mitbestimmung in Personalfragen "auf ein vernünftiges Maß" gestutzt werden. Unverzichtbar seien ferner betriebliche Bündnisse für Arbeit und "beschäftigungssichernde Betriebsvereinbarungen". Große Bedeutung maßen Meyer und Jung auch dem Kündigungsschutz zu, "eine der größten Hürden für mehr Beschäftigung". Deshalb dürfe das Kündigungsschutzrecht bei Neueinstellungen in Kleinbetrieben (unter 20 Mitarbeiter), in den ersten drei Jahren der Beschäftigung und bei über 53-Jährigen keine Anwendung mehr finden. Neu eingestellte Arbeitnehmer sollten zudem die "Option" erhalten, den Kündigungsschutz gegen eine Abfindungsregelung einzutauschen. Zur Begründung führten Meyer und Jung Umfragen an, wonach 70 Prozent der Unternehmer neue Jobs schaffen wollten, wenn der Kündigungsschutz gelockert würde. Weitere Forderungen: Ausweitung der Minijob-Regelung von 400 auf 600 Euro; Revitalisierung des Niedriglohnsektors; Reform des Arbeitslosengeldes; ein dreijähriges "Familienzeit-Konto" für Mütter und Väter zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

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