Mach' mich nicht nass!

Willkommen in der Reformunfähigkeitsrepublik Deutschland! In der Diagnose, woran es in diesem Land krankt, sind sich alle Parteien einig: Reformen werden verschleppt, alte Zöpfe nicht abgeschnitten, verkrustete Strukturen werden nicht aufgebrochen, bürokratische Hürden nicht abgebaut. So weit, wie gesagt, die einhellige Diagnose der rot-schwarz-gelb-grünen Polit-Chefärzte. Nun müsste der dahinsiechende Patient eigentlich nur noch in den OP geschoben werden, sollte man meinen, schon könnte die Operation beginnen, wäre also Genesung in Sicht. Doch Pustekuchen! Nix OP, statt dessen verbales Kräftemessen vor versammelter Mannschaft. Jüngstes Beispiel: die bereits Monate andauernde quälende Diskussion über die Pendlerpauschale. Kaum zauberte der längst entzauberte Bundesfinanzmagier Hans Eichel am Dienstag seinen x-ten Vorschlag aus dem Hut (15 Cent pro Kilometer), ging das Wehgeschrei auch schon wieder los. Subventionsabbau ja, meinte etwa Eichels rheinland-pfälzischer Obergenosse Kurt Beck, aber bitteschön nicht auf Kosten meiner Klientel. Ähnlich ablehnend hatten sich kurz zuvor auch schon Bayerns schwarzer Finanzminister Kurt Faltlhauser ("Nackenschlag für Flächenstaat") und andere plötzlich ins Stottern geratene politische Reform-Motoren geäußert. Frei nach dem Motto "Wasch' mich, aber mach' mich nicht nass" läuft in der Bundesstillstandsrepublik Deutschland längst die gesamte Reformdebatte ab. Das aber lässt nur einen Schluss zu: Noch scheinen Finanznot, Reformstau und Handlungsdruck im Land nicht groß genug zu sein. r.seydewitz@volksfreund.de

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