Mangelverwaltung

Es ist die Horrorvorstellung, die viele von Kliniken haben: Man kommt als Notfall ins Krankenhaus und wird von einem Arzt, der seit 36 Stunden im Dienst ist und kaum noch die Augen aufhalten kann, behandelt.

Es ist die Horrorvorstellung, die viele von Kliniken haben: Man kommt als Notfall ins Krankenhaus und wird von einem Arzt, der seit 36 Stunden im Dienst ist und kaum noch die Augen aufhalten kann, behandelt. Bis vor kurzem sicher die Regel in den Notfallambulanzen, heute eher die Ausnahme. Seit zwei Jahren ist klar: Die Kliniken dürfen ihre Ärzte nicht mehr auspressen wie eine Zitrone. Dauerschichten sind verboten. Allerdings musste erst der Europäische Gerichtshof urteilen, bevor auch in Deutschland über die Arbeitszeit von Klinikärzten, Berufsfeuerwehrleuten oder Rettungssanitätern diskutiert wurde. Doch obwohl eiligst Arbeitszeitmodelle entworfen wurden, reißen vor allem junge Mediziner weiterhin ohne mit der Wimper zu zucken Überstunden ab – einerseits, weil sie auf das Geld angewiesen sind, und andererseits weil es gar nicht anders geht. Denn um halbwegs die Arbeitszeit einzuhalten, fehlt es schlichtweg an Personal. Zum einen gibt es trotz tausender arbeitsloser Ärzte immer weniger Mediziner, die bereit sind, unter den Bedingungen in Deutschland in einem Krankenhaus zu arbeiten. Und zum anderen fehlt den Kliniken das Geld, neue Stellen zu schaffen. Ihr Budget ist gedeckelt, mehr Geld von den Kostenträgern gibt es nicht. Daher sind die Arbeitszeitmodelle in den Kliniken nicht mehr als Mangelverwaltung, um das Bestmögliche aus vorhandenem Personal und Geld herauszuholen. Um Löcher zu stopfen, greift man wie in anderen Branchen auf Billigkräfte zurück. Das fördert nicht gerade die Motivation der Ärzte. Der Kostendruck auf die Kliniken wächst. Statt neuer Stellen wird es auf absehbare Zeit eher weniger geben; die Situation für die Ärzte wird sich daher trotz Arbeitszeitgesetzes verschlechtern. b.wientjes@volksfreund.de

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