Mann, Merkel!

Angela Merkel hat es in der Hand gehabt, erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine Frau mit großen Erfolgsaussichten ins Rennen um das Präsidentenamt zu schicken. Annette Schavan wäre eine erstklassige Kandidatin gewesen, eine absolut kompetente Frau, fachlich wie menschlich unangreifbar, mit viel Rückhalt in der Bevölkerung und großer Reputation in Politik und Wirtschaft.

Selbst die eher linke Lehrergewerkschaft GEW hält die CDU-Politikerin für die beste Kultusministerin, die Baden-Württemberg je hatte. Eine engagierte Christin, streitbar im besten Sinne des Wortes, klar in ihren Aussagen, berechenbar in ihrem Handeln und doch immer für eine Überraschung gut. Sie kann Werte vermitteln, Orientierung geben in einer Zeit, wo dies nötiger ist als je zu vor. Die ideale Besetzung also für ein Amt, das genau diese Eigenschaften erfordert und das bisher stets Männern vorbehalten war. Doch die CDU-Chefin hat diese einmalige Chance, erstmals das höchste Amt im Staate einer Frau anzuvertrauen, grandios versemmelt. Normalerweise sind es Männer, die mit allen Mitteln versuchen, Frauen in Führungspositionen zu verhindern. In Deutschland erledigt so etwas die CDU-Chefin persönlich. Nicht - was noch verständlich wäre - aus purer politischer Not, etwa mit Rücksicht auf den bockbeinigen Oberliberalen Guido Westerwelle oder den Möchtegern-Napoleon aus München, Edmund Stoiber. Sie hat es getan aus nüchternem politischem Kalkül, aus purem, eigenem Karrieredenken, aus gnadenlosem Egoismus. Ihre Rechnung ist ebenso einfach wie eiskalt. Gäbe es ab 2004 eine Bundespräsidentin, würde das Merkels eigene Chancen auf die Kanzlerkandidatur 2006 in der Union erheblich schmälern. Das und nichts anderes hat den Ausschlag gegeben gegen Annette Schavan und für Horst Köhler. Was ein wichtiges Signal, ein Aufbruch in Richtung Gleichberechtigung der Frauen bei der Besetzung von Spitzenämtern hätte werden können, wurde so zum Beweis dafür, dass die Oppositions-Chefin zu allererst an sich und ihre eigene Haut denkt. Wenn sie sich da bloß nicht verkalkuliert hat. Viele Frauen werden sich Merkels Rückennummer merken. Die Quittung gibt's dann unter Umständen in zwei Jahren. Vielleicht hätte die CDU-Frontfrau vorher mal mit Annette Schavan reden sollen. Die weiß nämlich, wie man als Frau Karriere macht und dennoch Mensch bleibt. Machthunger allein ist keine hinreichende Befähigung für hohe Staatsämter - etwa das des Bundeskanzlers. Aber all das juckt Angela Merkel vermutlich wenig. Denn sie ist kalt wie ein Fisch. Wer das bisher nicht glaubte, weiß es spätestens jetzt.. d.schwickerath@volksfreund.de

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