Medizin mit Risiken

Ulla Schmidt ist weitgehend aus den Schlagzeilen verschwunden. Das darf schon als ein Wert an sich gelten. Wir erinnern uns: Als die Gesundheitsreform vor sechs Monaten in Kraft trat, kochte eine wahre Wutwelle hoch.

Gemessen daran funktioniert die Reform inzwischen erstaunlich reibungslos. Der Bürger weiß mittlerweile, wie er bei der Praxisgebühr sparen kann. Und er achtet stärker auf die Leistungsangebote seiner Kasse. All das ist ganz im Sinne der Sozialministerin, die sich für ein Gesetz verprügeln lassen musste, dessen Zumutungen zumeist von der Opposition hinein diktiert worden waren. Dennoch sollte sich Ulla Schmidt jetzt vor Euphorie hüten. Wenn die gesetzlichen Krankenkassen seit Jahren wieder ein Plus erwirtschaften oder ihre Ausgaben für Medikamente deutlich sinken, dann handelt es sich um erste Trends, die noch keineswegs gesichert sind. Auch der gebetsmühlenartige Verweis auf geringere Beiträge weckt Erwartungen, die der Ministerin eher schaden als nützen. Die Vorzüge der Gesundheitsreform bestehen nicht in einer nach unten offen Beitragsskala, sondern in den Chancen, für den Beitrag eine maßgeschneiderte Leistung zu erhalten. Die Zeiten, als sich Krankenkassen voneinander nur dem Namen nach unterschieden, sind unwiderruflich vorbei. Das ist gut so. Denn Bonusprogramme bringen den dringend benötigten Wettbewerb auf Trab. Die Gesundheitsreform hat freilich auch ihre Risiken. Zehn Prozent weniger Praxisbesuche als im Vorjahreszeitraum entlasten zweifellos die Kassen. Sollten sich Kranke jedoch aus finanziellen Gründen einer Behandlung entziehen, dann kommt das am Ende alle Beitragszahler teuer zu stehen. Schon deshalb kann sich Ulla Schmidt nicht beruhigt zurück lehnen. Das um so mehr, als auch die Grundsatzentscheidung für eine nachhaltige Finanzierung unseres Gesundheitswesens noch fehlt. Einstweilen hat sich Rot-Grün mit einer Notoperation beholfen. Ab 2005 müssen die Patienten ihren Zahnersatz komplett selbst versichern. Das ist politisch heikel, weil die Rentner dann wohl erneut mit einer effektiven Kürzung ihrer Bezüge rechnen müssen. Eine wachsende Leistungsausgrenzung würde allerdings auch die Akzeptanz des gesetzlichen Gesundheitsystems untergraben. Doch ganz gleich, ob sich eine Regierung für zusätzliche Beträge aus Kapitaleinkünften entscheidet wie bei der Bürgerversicherung oder für einen steuerfinanzierten Sozialausgleich analog der Kopfpauschale - die Krankenkosten werden schon angesichts der wachsenden Alterung unserer Gesellschaft nicht geringer werden. nachrichten.red@volksfreund.de

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