Mehr Last statt Lust

Nach dem politischen Einmaleins sind große Koalitionen immer möglich. Dieser eherne Grundsatz der deutschen Parteienlehre steht womöglich schon in absehbarer Zukunft infrage. Gerade einmal 60 Prozent der Wählerstimmen bringen Union und SPD nach einer aktuellen Umfrage noch auf die Waage.

Das sind fast zehn Prozent weniger als bei der Bundestagswahl vor knapp einem Jahr und beinah 20 Prozent weniger als beim Urnengang 2002. Vor allem die Union befindet sich derzeit scheinbar im freien Fall. Der allgemeine Liebesentzug verläuft parallel zur Entzauberung der großen Koalition. Mit großem Sympathievorschuss gestartet, scheint das Regieren in Berlin inzwischen mehr Last als Lust zu sein. Ob Gesundheitsreform, Unternehmenssteuer oder Kombilohn - Union und SPD übernehmen bei zentralen Vorhaben auch gleich noch die Rolle ihrer eigenen Opposition. Solchen Streit schätzen die Wähler gar nicht, was auch an der etwas naiven Vorstellung liegen mag, nur eine große Koalition könne tatsächlich Großes leisten. Gerade in der schwarz-roten Ehe regiert jedoch taktisches Kleinklein. Da keilen CDU-Länderfürsten gegen Angela Merkel, wettern SPD-Fraktionslinke gegen vermeintlich unsoziale Kabinettspläne, bleiben Fachminister wie Michael Glos auffällig blass. Die parlamentarische Sommerpause sollte Anlass zum Nachdenken in den Koalitionsspitzen sein. Sich über neue Ziele Gedanken zu machen, wie es jetzt Jürgen Rüttgers anregte, ist sicher nicht die schlechteste Idee. Auch eine Kabinettsumbildung könnte wieder für frischen Wind sorgen. Die Kanzlerin hat jedenfalls gut zu tun, wenn sie wieder aus dem Urlaub kommt. nachrichten.red@volksfreund.de

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