Mehr Macht für die Bürger

Das Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern war zuletzt kein Spiel mehr. Es war Keilerei. Mal jeder gegen jeden, mal die Starken gegen die Schwachen, mal das eine Lager gegen das andere. Seien wir froh, dass die großen Parteien das Schlachtfeld nun ordnen.

Jetzt kommt mehr Eigenständigkeit auf beide Seiten zu, mehr Verantwortung vor allem auf die Länder. Natürlich besteht nun die Gefahr, dass die Bildungssysteme noch mehr auseinander driften. Natürlich ist es unübersichtlich, wenn hier die Läden um 20 Uhr zumachen und ein paar Kilometer weiter gar nicht. Aber wer davor Angst hat, der traut dem mündigen Bürger nicht. Der kann nämlich korrigierend eingreifen. Und zwar besser als bisher. Bisher konnten sich Politiker von Bund und Ländern hinter den Beschlüssen föderaler Gremien verstecken, die niemand gewählt hatte. Die Landtage, echter Kompetenzen entrechtet, verwiesen wahlweise auf Europa oder auf Berlin, wo die bösen Buben säßen. Und in der Hauptstadt ließ man sich gegenseitig ins Abseits laufen. Für die Bürger bedeutet der nun verstärkte Wettbewerbsföderalismus einen Machtzuwachs. Sie sollten ihn nutzen. Warum nicht die Schulform zum Hauptthema eines Landtagswahlkampfes machen, die Naturschutzgebiete oder die Zahl der Kindergartenplätze? Es gilt die alte Erkenntnis: Je kleiner die Einheit, desto transparenter der Entscheidungsprozess. Freilich, zwei Dinge gelten auch: Die reichen Länder sind nicht von allein reich geworden, wie die armen nicht von allein arm. Das Ziel gleichwertiger Lebensverhältnisse muss bleiben. Bayern bekam Siemens und die Rüstungsindustrie nicht vom Himmel geschenkt, sondern von der eingemauerten Stadt Berlin und von Franz-Josef Strauß. Baden-Württembergs mittelständische Industrie profitierte jahrzehntelang durchaus von der DDR-Unpässlichkeit der sächsischen und thüringischen Konkurrenz. Wenn die reichen Länder jetzt bei der noch anstehenden Reform der Finanzbeziehungen den Länderfinanzausgleich in Frage stellen, missachten sie, dass wir gemeinsam die Bundesrepublik Deutschland sind. Ein solidarisches Land. nachrichten.red@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort