Mehr Miese für den Babyboom

BERLIN. Mit ihrer Idee eines einkommensabhängigen Elterngeldes will Familienministerin Renate Schmidt (SPD) gut ausgebildete Bevölkerungsschichten zu mehr Nachwuchs animieren. Doch der Plan stößt auf Widerstand.

Nach den kritischen Äußerungen von Fachpolitikern ("Nicht der richtige Weg”) steuerte gestern der Finanzminister eine diplomatische Absage bei: "Meiner Ansicht nach ist das Hauptproblem nicht die finanzielle Unterstützung, sondern fehlende Betreuungseinrichtungen.” Die Vorbehalte Hans Eichels sind verständlich. Schließlich kostet der erhoffte Babyboom eine hübsche Stange Geld. Nach internen Berechnungen seines Hauses würde sich eine Umwandlung der geltenden Erziehungsgeldpauschale zum Elterngeld auf satte 6,2 Milliarden Euro summieren. Zum Vergleich: Der gesamte Etat des Familienressorts umfasst im kommenden Jahr gerade mal 4,6 Milliarden Euro. Die Ausgaben für das Erziehungsgeld schlagen dabei mit rund 2,7 Milliarden Euro zu Buche. Woher die zusätzlichen Milliarden kommen sollen, weiß auch Renate Schmidt nicht. Dafür musste sie sich gestern im Bundestag harsche Vorwürfe gefallen lassen. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, Maria Böhmer, sah in dem Vorschlag ein "typisches Luftschloss der SPD”, zumal er nach Regierungsangaben erst in der nächsten Wahlperiode realisiert werden solle. Die FDP-Familienexpertin Ina Lenke warnte ebenfalls vor falschen Erwartungen. "Bevor die Regierung ein zweites Wahlversprechen macht, sollte sie zunächst einmal das erste, nämlich eine umfassende Kinderbetreuung, einlösen”, meinte Lemke. Es gibt noch weitere Ungereimtheiten. "Man kann den Leuten nicht mehr Elterngeld versprechen und auf der anderen Seite Verschlechterungen beschließen”, heißt es beim Heidelberger Büro für Familienfragen und soziale Sicherheit. Tatsächlich hat die rot-grüne Bundesregierung das Erziehungsgeld mehrfach beschnitten. Die jüngsten Maßnahmen traten im Januar in Kraft. Dabei wurde die monatliche Pauschale im ersten Lebenshalbjahr von 307 auf 300 Euro "geglättet”. Außerdem gingen die Einkommensgrenzen zurück. Das Geld fließt nur noch bis zu einem gemeinsamen Verdienst von 30 000 Euro im Jahr (23 000 Euro für allein Erziehende). Vorher waren es 51 130 und 38 500 Euro. Der jüngste Vorstoß der Ministerin ist aber noch aus anderen Gründen erstaunlich: Bislang galt bei Rot-Grün die Devise, dass mehr direkte Finanztransfers für Familien eher den Missbrauch fördern. Zudem hat die einkommensabhängige Unterstützung den Effekt, dass ein Professorenkind scheinbar mehr wert ist als das eines Taxifahrers. Immerhin soll die Leistung zwei Drittel des letzten Nettogehalts betragen. Auch das steht in scharfem Kontrast zur bisherigen Familienpolitik der Regierung. Doch Renate Schmidt lässt sich nicht beirren. Der Staat könne sich die weltweit höchste Kinderlosigkeit nicht mehr leisten. Das Elterngeld sei gerecht, weil auch Verkäuferinnen davon mehr hätten als die jetzige Pauschale, argumentiert sie. Zugleich will Schmidt die Männer dazu bringen, wenigstens einen Teilder Erziehungszeit zu nehmen. Nur unter dieser Bedingung soll das Elterngeld fließen.

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