Mensch, Mielke!

Kommt nach der geplanten und dann eilig wieder einkassierten Putzfrauen-Polizei jetzt die Bauern-Stasi? Wenn es nach dem Umweltbundesamt geht, nähern wir uns den Zuständen in der Ex-DDR mit Riesenschritten. Ganz offen suchen die Berliner Spürnasen in einer Stellenanzeige verdeckte Ermittler. Die sollen nicht etwa in großem Stil internationale Bandenkriminalität bekämpfen oder den Rechtsradikalismus eindämmen, sondern Bauern ausspionieren. Verdeckt ermitteln, ob die Landwirte sich beim Ausbringen der Spritzmittel an die Gesetze halten. Was glauben diese Herren eigentlich, in welchem Land und in welchem Jahrhundert wir leben? Aber vermutlich sind Putzfrauen und Bauern nur der Anfang. Vielleicht hat die Berliner Republik ja vom ehemaligen Ostteil des Vaterlandes doch etwas gelernt. War ja auch nicht alles schlecht unter Honnecker und Mielke. Schließlich gab es dort zum Beispiel keine Arbeitslosen. Nicht zuletzt deshalb, weil die eine Hälfte des Volkes damit beschäftigt war, die andere zu kontrollieren. Also denken wir die Dinge doch einfach einmal zu Ende. Das Ökoinstitut erhält den hoch dotierten Auftrag und rekrutiert zu Spionagezwecken massenhaft Menschen ohne Job und die werden in Schnellkursen speziell geschult, um unterschiedliche Berufsgruppen fachgerecht bespitzeln zu können. Schließlich sollen am Ende der Aktion "belastbare" Daten stehen. Nach den Bauern sind nach dieser Logik die Ärzte dran. Wäre doch höchst interessant, ihnen verdeckte Ermittler in die Praxis zu setzen. Wer weiß schon, was die so alles abrechnen. Oder nehmen wir die Pfarrer. Schließlich geben deren Schäfchen bei der Beichte doch intimste Geheimnisse preis. Das eine oder andere verfolgungswürdige Delikt ist sicher auch dabei. Ein lohnendes Objekt sind ohne Zweifel alle Beschäftigten im Baustoffhandel. Schließlich wissen die genau, wer wie viele Säcke Zement oder Paletten Steine kauft. Werden große Mengen geordert, lässt sich daraus ja wohl messerscharf schließen, ob die ordnungsgemäß privat vermauert oder schwarz eingebaut werden. Bespitzelung zur Verhinderung von Schwarzarbeit sozusagen. Ab 30 Sack Zement und mehr als 300 Steinen wird Meldung gemacht. Unverzüglich schlägt der Zoll zu. Erich Mielke nannte so etwas "vorbeugende Abwehr subversiver Umtriebe." Lehrer könnte man doch mal etwas genauer beleuchten. Was bringen die unseren Kindern abseits aller Lehrpläne so bei - oder auch nicht. Verfeinern ließe sich das durch systematisches Aushorchen von Kindergärtnerinnen. Schließlich fangen die Knirpse ja auch immer früher mit Französisch an. Und natürlich müssten flächendeckend die Journalisten besonders intensiv bespitzelt werden. Schließlich wissen die eine Menge Dinge, die ihnen weder Amtschefs noch Minister erzählt haben. Woher nur? Setzt das Umweltbundesamt diese famose Idee konsequent um, finden sich gar nicht Arbeitslose genug, um dem Rest des Volkes so richtig auf den Zahn zu fühlen. Und vor allem: Wo kommen denn all die Ausbilder her, um die Stasi West berufsvorbereitend zu schulen? Vielleicht aus den neuen EU-Ländern? Bei näherer Betrachtung wirkt dieser Vorschlag aus Berlin also fast sympathisch. Ein kleines Bauernopfer sollte uns das schon wert sein. Zumal die Landwirte bei diesem zukunftsträchtigen Pilotprojekt endlich eine gewisse Vorreiterrolle spielen dürfen. Nur gefragt, ob sie das denn auch wollen, hat sie wieder einmal niemand. Aber das kennen wir ja von Agrarreformen und Kabinettsbeschlüssen. d.schwickerath@volksfreund.de

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