Menschenrechtler Bush

Die Begründung des Weißen Hauses für den Präventivkrieg gegen das Regime Saddam Husseins ist in den letzten Monaten einer bemerkenswerten Wandlung unterzogen worden. Je frustrierender die Suche nach den vermuteten Massen-Vernichtungswaffen verläuft und je mehr Zweifel an der Aufrichtigkeit der zunächst wichtigsten Argumentation für den Feldzug laut werden, desto stärker legen die US-Regierungsmitglieder die Betonung auf den humanitären Aspekt der Befreiung des irakischen Volkes.

Keine Bush-Rede, die nicht mit der Erwähnung von Massengräbern, Folterkammern und anderen Menschenrechtsverletzungen einher geht. Dies geschieht mit einer Intensität, dass amnesty international den Texaner wohl irgendwann zum Ehrenmitglied ernennen müsste, gäbe es da nicht gewisse innenpolitische Problembereiche wie die freigiebig angewandte Todesstrafe oder die zeitlich unbegrenzte Internierung von Kriegsgefangenen alias "feindlichen Kämpfern", wie sie in der geschickten Sprachregelung des Weißen Hauses heißen. Wird deshalb nun die Beendigung humanitärer Krisen zum wichtigsten Maßstab amerikanischer Außenpolitik? Man könnte es fast annehmen, wäre da nicht die Afrika-Reise des Präsidenten. Denn ginge es Bush tatsächlich vorrangig um die Bewahrung der Menschenrechte, hätte er bei seiner Tour nicht auf Stippvisiten im Kongo und in Liberia verzichtet. Sind die über drei Millionen Männer, Frauen und Kinder, die in den letzten fünf Jahren allein im Kongo niedergemetzelt wurden, nicht Beleg genug für die Dringlichkeit internationalen Eingreifens oder zumindest einen kurzen Stopp des mächtigsten Mannes der westlichen Welt wert, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf diese Tragödie zu lenken? Auch Liberia, das Amerika durch historische Wurzeln am stärksten verbundene afrikanische Land, dessen Bürger verzweifelt die USA um eine Intervention anflehen, erfreut sich bisher nur einer eher halbherzigen Beachtung Bushs - und Lippenbekenntnissen wie diesen: "Wir sind entschlossen, den Menschen von Liberia bei der Suche nach dem Pfad zum Frieden zu helfen." Dazu sind bis heute 35 US-Militärangehörige dorthin entsandt worden - eine Armada, die den Präsidenten-Diktator Charles Taylor vermutlich in seinen Stiefeln vor Furcht erschauern lässt. Auch hier zeigt sich der wahre Stellenwert der vor allem durch Lippenbekenntnisse geprägten Menschenrechtspolitik des George W. Bush. Was gleichzeitig natürlich auch wieder die Antwort auf die Frage erleichtert, ob vorrangig humanitäre Anliegen oder handfeste sicherheits- und regionalpolitische Interessen zur Irak-Invasion geführt haben. nachrichten.red@volksfreund.de

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