Merkel im Richtungskampf

Blickt Angela Merkel auf die Koalitionsverhandlungen mit der SPD, stapelt die designierte Kanzlerin nach wie vor betont tief: "Ich sehe keine Erfolgsgarantie." Doch der Eindruck, der sich verfestigt, ist ein ganz anderer: Die schwarz-rote Annäherung ist längst kein vages Abtasten mehr.

Mit dem gemeinsamen Anerkennen der katastrophalen Haushaltslage ist schon die wichtigste, weil fundamentalste Weiche in Richtung großer Koalition gestellt. Je näher dieses Bündnis aber rückt, und je klarer die inhaltliche Stoßrichtung wird, desto deutlicher treten Merkels eigentliche Probleme ans Tageslicht. Momentan sind nicht die Genossen die gefährlichen Fallensteller. Die CDU-Vorsitzende vollführt vielmehr einen diffusen Vielfrontenkampf im eigenen Lager, weil das miserable Wahlergebnis Dämme hat brechen lassen. Sicherlich, die Streitereien um Richtlinienkompetenz, Ressortverteilung und -zuschnitte oder um die ersehnte Wahlanalyse und die Fehler im Wahlprogramm sind Machtgerangel und Ausdruck eines gehörigen Unions-Frustes quer durch die Republik. Dahinter verbirgt sich in Wahrheit aber auch ein für die Ostdeutsche heikler Grundsatzkonflikt, ein Richtungskampf, der die CDU erfasst hat. Merkel muss eine Partei versöhnen, die zurzeit massiv um ihre künftige Ausrichtung und Identität ringt - aus Angst, den innig geliebten Nimbus der Volkspartei aufgeben zu müssen, weil man dauerhaft bei der schnöden 35-Prozent-Marke und weniger zu verharren droht. Ausgerechnet Merkel muss diese Herkulesaufgabe leisten, die doch gerne im Unklaren lässt, wofür sie eigentlich steht. Und die ideologisch kaum gebunden zu sein scheint. Zwei Strömungen haben ihre Bataillone in Stellung gebracht und ihre jeweilige Ikone auf den Schild gehoben. Zu beobachten auf dem Deutschlandtag der Jungen Union vom Wochenende, wo Friedrich Merz, Merkels absoluter Intimfeind, gefeiert wurde. Dort trafen sich die jungen Radikalreformer, die im Besserwisser Merz ihren Helden gefunden haben, die aber geflissentlich übersehen, dass der Wähler gerade auch Merzens Radikalkur eine Absage erteilt hat. Die andere Seite hat ihre Protagonisten bereits im Kabinett in Stellung bringen können: Wenn Horst Seehofer und Edmund Stoiber schon als der neunte und zehnte Sozialdemokrat in Merkels Regierungstruppe gelten, heißt das nichts anderes, als dass diese beiden sich als Bewahrer der christlich-sozialen Lehre verstehen werden. Sie glauben, die Union kann nur als Partei des sozialen Ausgleichs Wahlen jenseits der 40 Prozent gewinnen. Zwischen diesen Strömungen steht die künftige Kanzlerin, die in ihrer Koalition Rücksicht auf die von links in Bedrängnis geratenen Sozialdemokraten nehmen muss; die auf Loyalitäten, wie immer sie sich auch aufstellt, nicht bauen kann. Welcher Weg wird also der richtige für die C-Parteien insgesamt werden? Viel Spaß beim Regieren, Frau Merkel. nachrichten@red.volksfreund.de

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