Merkel trotzt dem Charme Wen Jiabaos

Peking. Wie sich die Szenen gleichen: Vor einem Wandbild der chinesischen Mauer in der großen Halle des Volkes unterzeichnen deutsche Wirtschaftslenker Verträge mit ihren chinesischen Partnern. So war es 2004 bei der letzten Visite Gerhard Schröders, so ist es auch an diesem Montag beim Antrittsbesuch Angela Merkels in Peking.

Doch diesmal ist die Stimmung der deutschen Seite verhaltener. Das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist realistischer geworden. "Ideenklau" heißt regierungsintern das Thema, das diesen Wandel bewirkt hat. China lädt deutsche Investoren ein und baut wenig später die Produkte in Eigenregie nach, um sie dann in Europa billig zu verkaufen. Gerhard Schröder hatte das Problem 2004 erstmals angesprochen. Bei der Merkel-Visite steht es eineinhalb Jahre später schon ganz oben auf der Tagesordnung. Da hilft auch die Charmeoffensive des chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao nichts. Wen spaziert mit Angela Merkel durch einen Park in der Nähe des Platzes des Himmlischen Friedens, betont leger, ohne Krawatte, und zeigt ihr, wie man Softball spielt. Die Kanzlerin bedankt sich artig für das anschließende "wundervolle Frühstück", bleibt aber zielstrebig: "Sie werden verstehen, dass wir stolz sind auf unsere Ideen", sagt sie, und dass sich die Wirtschaftsbeziehungen für beide Seiten lohnen müssten. "Der Schutz des geistigen Eigentums ist uns besonders wichtig, weil wir ein Technologieführer sind." Wen verspricht "feierlich", wie übersetzt wird, dass die chinesische Regierung der Produktpiraterie Einhalt gebieten wolle. Und in der Tat gibt es Fortschritte, wie Heinrich von Pierer, Siemens-Aufsichtsratschef, berichtet. Die Gesetze seien da, sie müssten nur überall in dem Riesenreich umgesetzt werden, sagt von Pierer, der - wie 40 andere Wirtschaftsführer - die Kanzlerin begleitet. Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, der ebenso wie Wirtschaftsminister Michael Glos mit nach Peking geflogen ist, hat ein anderes Problemthema im Gepäck: Die Verlängerung der Transrapid-Strecke von Schanghai nach Hangzhou. Das Projekt sei auf gutem Weg, sagt die Kanzlerin, und auch Wen betont, China wolle den Transrapid. Die Deutschen gehen inzwischen also lockerer an China heran - und auch selbstbewusster. Merkel bringt ohne viele Umschweife sowohl beim Staatspräsidenten Hu als auch in der Pressekonferenz mit Ministerpräsident Wen das Thema Menschenrechte vor. "Aus unserer Sicht sind die Menschenrechte unteilbar", sagt sie. Und auch, dass sich aus der Mitgliedschaft beider Länder in der UN-Menschenrechtskommission eine Verantwortung ergebe. Wen, der sonst immer lächelt, wechselt bei diesen Worten zu einem neutralen Gesichtsausdruck. Nachmittags trifft sich Merkel mit vier Bürgerrechtlern, die sich für die verarmten Bauern und das Millionenheer der Wanderarbeiter einsetzen. Und "Verantwortung" ist das Stichwort, mit dem Merkel versucht, China vor allem beim Iran-Konflikt auf eine Linie mit der EU und den USA zu bringen.

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