Merkels Halbwahrheit

Die Erweiterung der Europäischen Union hat ihren Preis. Das ist sicher eine Binsenweisheit. Eingedenk der lautstarken Kritik aus der Opposition muss aber daran erinnert werden. Natürlich lässt sich im Nachhinein immer fordern, die deutsche Regierung hätte beim jüngsten EU-Finanzkompromiss härter verhandeln müssen, um den eigenen Haushalt zu schonen.

Doch wenn Deutschland jetzt bis zu zwei Milliarden Euro mehr pro Jahr in die Brüsseler Kasse zahlt, dann sollte auch die Dividende für unser Land ein Thema sein. Ohne einen funktionierenden Binnenmarkt innerhalb der Europäischen Union wäre die Republik wohl kaum Exportweltmeister. Wahr ist, dass auch andere starke Nationen wie Frankreich oder Italien tiefer in die Tasche greifen, um die europäische Einigung voranzubringen. London musste sogar einen Teil des vermeintlich unantastbaren "Briten-Rabatts" opfern. Insofern ist Deutschland bei den Mehraufwendungen in bester Gesellschaft. In einem gewissen Maße hat sich Angela Merkel die Empörung der Opposition allerdings selbst zuzuschreiben. Wer die politische Verantwortung für das europäische Haus beschwört, der darf sich nicht für eine irreführende Zahlenakrobatik feiern lassen. Merkels Botschaft vom vergangenen Wochenende, Deutschland habe beim EU-Finanzgipfel toll gespart, stellt ihre politische Absicht in Frage. Die Kanzlerin muss bei nächster Gelegenheit klar und offen sagen, dass eine Heranführung der osteuropäischen Länder an westeuropäische Standards nicht zum Nulltarif zu haben ist. So hätte sich die Aufregung über Zahlentricks gleich erübrigt. nachrichten.red@volksfreund.de

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