Merkels Spektakel

Die Union hat gestern in Dortmund die Krönung ihrer Kanzlerkandidatin Angela Merkel imposant zelebriert. Wahrlich, für die Herausforderin von Bundeskanzler Gerhard Schröder war die Jubelveranstaltung vor einer stattlichen Kulisse von rund 10 000 Anhängern ein Triumpf.

Und das ausgerechnet nach einem Wahlkampfauftakt, der inhaltlich und taktisch mehr als verkorkst gewesen ist. Die laute Klatsch-Orgie, mit der die Union den Start in die heiße Phase des Wahlkampfes eingeläutet hat, kann dennoch über eines nicht wirklich hinwegtäuschen: Diese CDU hat mit der so oft spröde wirkenden Ostdeutschen ihren Frieden zwar geschlossen, gerade weil die Macht diesmal so greifbar nahe ist. Geliebt wie weiland Helmut Kohl wird die Protestantin aber noch lange nicht. Nein, Merkel hat sich als CDU-Vorsitzende auf dem Weg zur Kanzlerkandidatur den Respekt ihrer Partei mühsam erkämpft. Diesen Tribut hat man ihr gestern deutlich gezollt, weil dies allein schon eine anerkennenswerte Leistung der Frau inmitten der schwarzen Männerriege ist. Aber es ist auch ein Umstand, an den sich die durch Helmut Kohl emotional so geprägte Union noch wird gewöhnen müssen. Vor allem dann, wenn aus der Vorsitzenden am 18. September auch die Kanzlerin werden sollte. Wer geglaubt hatte, die Partei würde in den Mittelpunkt ihres Treffens ihre Reformvorhaben stellen, der sah sich natürlich getäuscht. Drei Wochen vor der Wahl dreht es sich bei einer solchen Veranstaltung nicht mehr um Inhalte oder um ein programmatisches Für und Wider. Auch wenn das Ganze gestern Parteitag hieß, ging es vielmehr darum, auf den letzten Metern vor der Wahl Begeisterung beim Anhang und Eindruck beim Wähler zu hinterlassen. Das zumindest dürfte der Partei mit ihrem Merkel-Spektakel im ehemaligen Genossen-Revier gelungen sein. nachrichten.red@volksfreund.de

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