Milchmädchen-Rechnung

Die geplanten Sozialreformen sind ein perfektes Beispiel dafür, wie kurzsichtige Politik langfristig immensen Schaden anrichtet. Wenn schon Einschnitte, dann da, wo am wenigsten Widerstand zu erwarten ist, denken sich die Damen und Herren Volksvertreter offenbar - und setzen Sozialhilfe-Empfänger sowie Arbeitslose ganz oben auf die Spar-Liste. Künftig werden noch mehr Kinder als Sozialhilfe-Empfänger groß werden und ihr Leben als perspektivlos erfahren. Geringverdiener und viele Eltern, die schon jetzt kaum über die Runden kommen, können die geforderten Rücklagen für das Alter nicht bilden - und werden später auf Unterstützung angewiesen sein. Ein Renteneintrittsalter von 67 Jahren in einer Zeit, in der schon 50-Jährige keinen Job mehr bekommen, erhöht die Zahl derArbeitslosen - und damit kurzdarauf die der Sozialhilfe-Empfänger. Um die Folgen vorherzusagen, muss man kein Hellseher sein: Die Sozialkosten werden in die Höhe schnellen - ebenso wie die Zahl derer, die unter der von der EU definierten Armutsgrenze von 50 Prozent des Durchschnittseinkommens eines Landes leben. Damit fehlen ihnen die Möglichkeiten, am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben - vom Kino-Besuch über den Computer mit Internetanschluss bis zur Klassenfahrt des Nachwuchses. Diese Entwicklung könnte die Bundesrepublik nicht nur finanziell an den Rand des Zusammenbruchs führen. Auch der soziale Sprengstoff ist enorm. Wie lange wird es sich die wachsende Unterschicht wohl friedlich anschauen, wie die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergeht? Die Sozialverbände haben völlig Recht: Die Rechnung, bei den Schwächsten am stärksten zusparen, geht nicht auf. Nur schade, dass das Gewicht von Caritas, Diakonischem Werk & Co. in den Berliner Lobbies so viel geringer wiegt als das der Wirtschaftsbosse. i.kreutz@volksfreund.de

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