Missgeburt mit Folgen

Selten ist es einer Partei gelungen, mit einem eigentlich gut gemeinten Reform-Konzept selbst die politische Wahlverwandtschaft zu entsetzen. Sowohl die deutsche Wirtschaft als auch der Wunsch-Koalitionspartner FDP lassen an dem zäh verhandelten Gesundheits-Kompromiss der Union kein gutes Haar.

Ganz zu schweigen von der rot-grünen Koalition, die sich genüsslich die Hände reiben kann. Denn diese Entscheidung wird nicht ohne Folgen bleiben. Die Betrachtung des Unionsmodells macht in der Tat stutzig: Die "solidarische Gesundheitsprämie" (Angela Merkel) ist ja noch komplizierter als das jetzige System! Nicht nur deshalb ist schwer zu begreifen, warum das Kombi-Modell der Union die Bürger in Deutschland beeindrucken soll. Vielmehr ist zu befürchten, dass das Gegenteil eintritt: Die Menschen haben Probleme, das System zu verstehen. Fragen über Fragen: Was ist gut daran, wenn ein Arbeiter mit 2000 Euro Einkommen den gleichen Beitrag bezahlt wie der Manager mit Millionen-Gehalt? Welchen Sinn ergibt eine Operation, wenn sie noch mehr Undurchsichtigkeit schafft? Und woher will die Union das Geld nehmen für die Finanzierungslücke, die sie sich jetzt schön rechnet? Gewiss haben CDU und CSU das erklärte Ziel erreicht, die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten abzukoppeln - aber nur ein bisschen. Das hätte man auch einfacher haben können, durch Einfrieren des Arbeitgeberanteils im jetzigen System. Vielleicht gelingt es sogar, den bürokratischen Aufwand für den Risikostrukturausgleich zu reduzieren. Aber damit sind die Vorteile des Prämienmodells schon erschöpft. Natürlich müssen die Bürger für ihre Gesundheit in Zukunft mehr ausgeben. Die Pauschale von 109 Euro (die später steigen wird) gaukelt bloß vor, dass die Kosten im Rahmen bleiben. In Wirklichkeit wird die Steuerbelastung tendenziell größer. Denn die geringeren Tarife müssen die Arbeitnehmer selbst bezahlen, durch Verzicht auf Pendlerpauschale, Eigenheimzulage und die Steuerfreiheit für Sonntags- und Nachtarbeit. Zweifellos ist der Versuch, Vegetarier und Fleischesser mit einem Kompromiss-Menü zu versöhnen, gründlich misslungen. Während die FDP ankündigt, das Angebot in einer gemeinsamen Regierung nicht akzeptieren zu wollen und der CSU-Gesundheitsexperte Seehofer mit Rücktritt droht, ist das Verhalten mancher Unionsleute besonders verräterisch: Viele von ihnen sind abgetaucht. Warum wohl? Die CDU-Vorsitzende Merkel sitzt in der Falle: Wird ihr Modell gekippt, ist sie politisch erledigt. nachrichten.red@volksfreund.de

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