Moralische Klarheit nötig

Am Tag der Menschenrechte setzt sich die US-Regierung wieder einmal selber auf die Anklagebank. Dafür sorgt der Skandal um die Zerstörung der Folter-Videos des CIA, der Licht auf die düsteren Praktiken im Umgang mit gefangenen Terrorverdächtigen wirft.

Die vernichteten Bänder dokumentierten in allen scheußlichen Details die Verhöre führender El-Kaida-Gefangener. Simuliertes Ertrinken und erzwungene Nacktheit inklusive. Den Weg dazu freigemacht hat ein geheimes Programm des Weißen Hauses aus dem Jahr 2002, das erst Jahre später aufflog. Das basiert auf einem Gutachten des damaligen Rechtsberaters des Präsidenten. Alberto Gonzales definierte darin für bestimmte Verhörmethoden den Tatbestand der Folter einfach hinweg. Die Regierung segnete eine Liste von Techniken ab, die dem Geist der Genfer Konventionen eindeutig widersprechen. Darin besteht bis heute der eigentliche Skandal, der weit über das schamhafte Vernichten der Verhör-Videos durch den CIA hinausgeht. Und die Verantwortlichen dafür - allen voran Bush, Gonzales und Ex-Verteidigungsminister Rumsfeld - werden wohl nie zur Verantwortung gezogen. Im Gegenteil droht der Präsident nun sogar ein Veto an, um die rechtliche Grauzone zu erhalten, in der die Schlapphüte diese fragwürdigen Methoden weiter ausüben können. Das entschuldigt umgekehrt nicht die Anmaßung des CIA, eigenmächtig Beweismaterial zu zerstören. In einer Demokratie kann es nicht sein, dass sich Geheimdienste der Aufsicht durch Parlament und Justiz entziehen. Die Bänder hätten niemals beseitigt werden dürfen. Erst recht nicht, nachdem der Kongress die 911-Kommission und die Justiz das Material angefordert hatten. Der Vorgang unterstreicht, wie dringend der Kongress für rechtliche und vor allem auch moralische Klarheit sorgen muss, was im asymmetrischen Kampf mit dem Terrorismus erlaubt ist und was nicht. Dazu gehört an vorderster Stelle die unteilbare Geltung elementarer Menschenrechte. Nach dem Folterskandal von Abu Ghoreib beschlossen die Gesetzgeber ein neues Regelwerk für die Streitkräfte, das "waterboarding" und andere Foltertechniken verbietet. Diese Regeln müssen ohne Wenn und Aber auch für die Geheimdienste gelten. Denn die "freie Welt" kann es sich nicht leisten, in der Auseinandersetzung mit ex- tremistischen Kräften die eigenen Grundsätze aufzugeben. Schon gar nicht bei den Menschenrechten. Bush sollte das vom Kongress beabsichtigte Folterverbot für die Geheimdienste unterstützen, statt es mit einem Veto zu bedrohen. Damit brächte der Präsident CIA-Verantwortliche, die im tiefsten Inneren die Verwerflichkeit ihres Tuns ahnen, künftig nicht mehr in die Versuchung, peinliches Beweismaterial in einer Nacht- und Nebelaktion zu beseitigen. Senator Kennedy hat schon Recht, wenn er meint, kein Mitarbeiter einer amerikanischen Regierung dürfe in Handlungen verwickelt sein, die man sich anschließend nicht auf Video anschauen könne. Ein praktischer Maßstab, der das Handeln demokratischer Staaten von Bananen-Republiken unterscheidet. nachrichten.red@volksfreund.de

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