Mut zum Coup?

Nach den düsteren Diskussionen um Kürzungen und Sozialeinschnitte bietet uns der Berliner Politikbetrieb zur Abwechslung mal einen Streit über steuerliche Entlastungen. Das ist die gute Nachricht. Noch besser wäre es allerdings, wenn die Regierung beim eventuellen Vorziehen der Steuerreform schnell Klarheit schaffte. Die ökonomische Wirkung einer solchen Maßnahme vermag niemand mit Exaktheit vorher zu sagen. Doch einen Versuch wert ist sie aus mehreren Gründen. Erstens: Der spürbare Geldzuwachs dürfte wieder Vertrauen bei den Bürgern schaffen und den schleppenden Konsum ankurbeln. Zweitens: Auch ohne die große Steuerlösung wird der Bundesfinanzminister im kommenden Jahr keinen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen können, weil die dafür notwendigen Einsparungen praktisch nicht durchsetzbar sind und eine Konjunkturbelebung weiter auf sich warten lässt. Deutschland scheitert also ohnehin am Verschuldungskriterium der EU. Insofern wären weitere Kredite für das Vorziehen der Steuerreform tragbar. Und drittens würde der Coup die Opposition erheblich unter Zugzwang setzen. Bislang lehnt die Union den Abbau von (zum Teil irrwitzigen) Subventionen unter lautstarker Verteidigung der sozialen Gerechtigkeit ab. Ein rot-grünes Angebot zur gleichzeitigen Senkung des Steuertarifs bereitet diesem Schauspiel ein Ende. Schließlich gibt es nicht wenige Christdemokraten, die schon immer auf diesem Junktim beharrten. So ließe sich auch viel unaufgeregter über Eigenheimzulage oder Entfernungspauschale reden. Wegen ihrer Minderheit in der Länderkammer ist die Koalition zur Kooperation verdammt. In Sachen Steuerreform kann sie nur gewinnen. nachrichten.red@volksfreund.de

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