Nah an der Macht

Allein zu regieren macht nicht nur stolz, sondern lässt offenbar auch abheben. Und zwar gründlich.

Anders ist nicht zu erklären, dass sich in den letzten Monaten die von Regierungsmitgliedern produzierten Schlagzeilen von umstrittenen Postenbesetzungen und Auftragsvergaben häufen. Statt nah bei den Menschen zu sein, greift die Arroganz der Macht um sich, zumal sich bislang die CDU-Opposition politisch wenig schlagkräftig gezeigt hat und die FDP als langjähriger Koalitionspartner noch auffällige Beißhemmungen an den Tag legt.Bruchs Auftragsvergabe an den Schwiegersohn in spe hat mehr als nur "Geschmack". Sie ist stark grenzwertig. Andere Politiker sind schon wegen weniger gravierenden eigenen Fehlleistungen zurückgetreten. Erst spät scheint der Minister erkannt zu haben, dass es nicht darum geht, Jungunternehmer eine gute Idee verwirklichen zu lassen und ihnen abzukaufen. Vielmehr muss ein Minister sagen: Dies kann ich mit dem künftigen Schwiegersohn nicht machen - erst recht nicht ohne Ausschreibung oder Konkurrenzangebot. Beamten würde in ähnlichen Fällen zu Recht ganz anderes widerfahren.

Auch wenn die CDU im Fall der Richterposten-Besetzung mit ihrer Rücktrittsforderung an den Justizminister über das Ziel hinausgeschießt, so deutet doch auch dieser Fall in seiner ganzen Entwicklung darauf hin, dass ein bestimmter Kandidat verhindert werden sollte. Nach der schlagzeilenträchtigen Vergabe einiger Jobs im Landesdienst kommen die Zweifel, ob politisches Gespür mit Erreichen der absoluten Mehrheit verloren gegangen ist, also nicht von ungefähr. Hier steht vor allem Ministerpräsident Kurt Beck in der Verantwortung.

Die Fehlleistungen als Bagatellen wegzuwischen, zeugt von merkwürdigem Politikverständnis, vor allem, wenn man sich dem Slogan "nah bei den Menschen" verschrieben hat. Nähe ist ohnehin immer eine Sache der Definition.

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