Neue Hoffnung für "Altbewerber"

Umfragen zufolge klagen mittlerweile drei von zehn Unternehmen über einen Mangel an geeigneten Fachkräften. Auf der anderen Seite verfügen rund 15 Prozent der jungen Leute bis 29 Jahre wegen ihrer geringen Schulbildung über keinen ordentlichen Berufsabschluss. Dagegen will die Bundesregierung nun Maßnahmen ergreifen.

Berlin. Die Bundesregierung hat gestern einen Qualifizierungsplan beschlossen, mit dem zusätzliche Ausbildungsplätze sowie höhere Bildungsabschlüsse gefördert werden sollen. Die Kosten des auf drei Jahre angelegten Programms bezifferte Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) auf 500 Millionen Euro. Die wichtigsten Details: Wer profitiert? Kern der Initiative ist ein Ausbildungsbonus für Altbewerber, die höchstens über einen Realschulabschluss verfügen oder bereits seit mehr als zwei Jahren vergeblich nach einem Ausbildungsplatz suchen oder individuell beeinträchtigt sind. Von den 735 000 Lehrstellenbewerbern im Vorjahr waren rund die Hälfte Altbewerber. Durch ihr Programm erhofft sich die Regierung etwa 100 000 zusätzliche Lehrstellen. Allein dafür stehen 350 Millionen Euro zur Verfügung. Wie funktioniert der Bonus? Schaffen Betriebe für Altbewerber zusätzliche Lehrstellen, winkt ihnen eine Sonderzahlung der Bundesagentur für Arbeit, die sich nach der Höhe der monatlichen Vergütung für den Jugendlichen richtet. Liegt der Betrag unter 500 Euro, werden einmalig 4000 Euro fällig. Bei einem Lehrlingslohn bis zu 750 Euro erhöht sich die Summe auf 5000 Euro und darüber hinaus auf 6000 Euro. Das sind im Durchschnitt 20 Prozent der jeweiligen Lehrlingsvergütung.Welche Kriterien muss der Betrieb erfüllen? Es muss sich tatsächlich um zusätzliche Lehrstellen handeln. Dazu heißt es in der Regierungsvorlage: "Ein Ausbildungsplatz wird zusätzlich bereitgestellt, wenn der ausbildende Betrieb durch den neu abgeschlossenen Ausbildungsvertrag am 31. Dezember des Jahres des Ausbildungsbeginns mehr Auszubildende beschäftigt als im vorausgehenden Drei-Jahres-Durchschnitt". Wer wird darüber hinaus begünstigt? Derzeit nehmen in Deutschland nur knapp 37 Prozent eines Jahrgangs ein Hochschulstudium auf. Im Durchschnitt der OECD-Staaten sind es 54 Prozent. Um das Defizit zu verringern, setzt die Regierung auf sogenannte Aufstiegsstipendien für junge Nicht-Abiturienten, die sich wegen ihrer hervorragenden Leistungen bei der beruflichen Ausbildung für ein Hochschulstudium eignen. Die veranschlagte Finanzierung reicht nur für etwa 1000 solcher Stipendien. Sie sollen sich an den Bafög-Sätzen orientieren. Wer kommt noch für eine Weiterbildung infrage? Im Zuge des geplanten Betreuungsausbaus für Kleinkinder will die Regierung in den nächsten Monaten eine Fortbildungsinitiative für rund 80 000 Erzieherinnen und Tagesmütter starten. Damit sich mehr junge Leute für Naturwissenschaften und Technik begeistern, ist die Einführung eines "freiwilligen technischen Jahres" vorgesehen. Besonders Frauen sollen stärker zur Wahl eines naturwissenschaftlichen Berufs ermuntert werden. Erster Schritt Mit einem Ausbildungsbonus sollen Unternehmen dazu gebracht werden, zusätzliche Stellen für problematische Jugendliche zu schaffen. Das ist nebenbei auch ein Beitrag, um die aktuelle Diskussion über jugendliche Gewalt zu versachlichen. Zwar gibt es keinen Automatismus, dass ein Lehrstellenbesitzer immer auch den gesellschaftlichen Normen entspricht. Mit einem eklatanten Mangel an beruflichen Perspektiven werden die Chancen dafür aber auch nicht größer. Die Klage der Wirtschaftsverbände, die Regelung führe zu Mitnahmeeffekten, geht an der Wirklichkeit vorbei. Schließlich richtet sich der Ausbildungsbonus an eine klar umrissene Zielgruppe, die keine anderen Bewerber verdrängen soll. nachrichten.red@volksfreund.de

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