Nicht besonders ehrgeizig

Der regierungsamtliche Jubel, das Klimapaket der Großen Koalition sei "historisch", gar "weltweit einzigartig", ist grotesk überzogen. Gemessen an anderen Staaten geht Deutschland zwar voran. Gemessen an dem, was hierzulande schon heute leistbar wäre, sind die beschlossenen Gesetze eher ängstlich.

Das fängt schon bei den Zielvorgaben an. Man verkündet, das neue Klimaprogramm bringe bis 2020 eine CO{-2}-Minderung um 40 Prozent im Vergleich zu 1990. Tatsächlich sind fast 19 Prozentpunkte davon bereits erreicht, vor allem durch den Zusammenbruch der DDR-Industrie und durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz der alten Bundesregierung. Fünf Prozentpunkte der angepeilten künftigen Reduktion stehen noch in den Sternen europäischer Beschlüsse. Das Klimaprogramm soll also nur rund 16 Prozentpunkte bringen. Nicht mehr. Weniger eventuell schon. Denn im Wesentlichen setzt die Koalition auf Freiwilligkeit. Auf die Kräfte des Marktes und die Anreize der staatlichen Förderung. Wäre konsequenter Klimaschutz das Hauptmotiv, dann würde die Regierung sich und den Bürgern nicht so viel Zeit lassen bei der Umstellung von einem fossilen auf einen weitgehend CO{-2}-neutralen Energieverbrauch. Schon die europäischen Vorgaben für die Automobilindustrie wurden auf deutschen Druck hin entschärft. Im jetzt beschlossenen nationalen Klimaprogramm wird der gesamte aktuelle Gebäudebestand von Vorschriften zum Einsatz erneuerbarer Energie bei einer Sanierung ausgenommen. Nur für Neubauten gilt künftig das, was technologisch Standard ist. Doch welcher Bauherr setzt heute noch auf Öl oder Gas und nicht auf erneuerbare Energien und gute Dämmung? Wirtschaft und Privathaushalten keine Zumutungen auferlegen, auch manchem Lobbygeschrei folgen, das war bei diesem Paket oftmals wichtiger. Deshalb greift es klimapolitisch zu kurz. Aber auch ökonomisch. Weil es kaum Druck erzeugt, fördert es gesellschaftlich die Haltung des Abwartens und verlängert so die Umbauzeit. Da man davon ausgehen muss, dass die fossilen Energievorräte bald zu Ende gehen, also die umfassende energetische Sanierung sowieso geschehen muss, hätte mehr Beschleunigung, auch mit den Mitteln des Ordnungsrechts, dem Land ökonomisch mittelfristig größere Vorteile gebracht. Es gibt einen Trost: Derzeit sorgen die Ölmultis und die deutschen Stromkonzerne mit ihrer Preispolitik dafür, dass der Energiesparwille im Volk schneller wächst als die Regierung mit ihren Klimapaketen nachkommt. Wenigstens steht dafür nun genug Fördergeld zur Verfügung. nachrichten.red@volksfreund.de

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