Nicht überziehen

Noch steht angeblich ein Großteil der Deutschen hinter den Ärzteprotesten. Noch. Doch das Blatt könnte sich wenden, wenn die niedergelassenen Mediziner eine Woche lang in den Ausstand treten. Dann dürfte bei vielen Patienten das Maß voll sein.

Wer für eine Woche seine Praxis schließt - aus Existenzangst und verständlichem Frust über Honorarrückgang und das übereilt zusammengeschusterte Arzneimittelsparpaket - überzieht. Der bislang zumindest in Teilen nachvollziehbare Protest darf nicht auf dem Rücken der Patienten ausgetragen werden. Es könnte durchaus der Eindruck entstehen, die Ärzte gehen lediglich auf die Straße, weil es wieder an ihren Geldbeutel geht. Es wäre fatal, wenn dadurch das längst nicht mehr verbreitete Raffke-Image der Mediziner wieder aufleben würde. Bislang ist nämlich kaum deutlich geworden, dass der neuerliche Protest auch im Sinne der Patienten ist. Kommt das Arzneimittelsparpaket in dem nun vorgesehenen Umfang, bedeutet das erhebliche Einschränkungen für die Patienten. In letzter Konsequenz bedeutet die Bonus-Malus-Regelung nämlich, dass nicht mehr in erster Linie medizinische Gründe für eine Verordnung ausschlaggebend sind, sonder wirtschaftliche. Ärzte werden dann beim Verschreiben noch mehr auf die Kostenbremse treten und das ein oder andere lieb gewordene Medikament nicht mehr verordnen. Daher täten die Mediziner gut daran, nicht die Patienten gegen sich auf zu bringen, sondern sie mit ins Boot zu nehmen. Seit Jahren versucht die Politik erfolglos, die Arzneimittelausgaben zu senken. Die Pharmaindustrie ist gegen politische Vorgaben resistent, die Krankenkassen schieben die Schuld auf die Ärzte, diese wiederum zeigen auf die Arzneimittelhersteller. Für die Unfähigkeit der Politik sollen nun allein die Ärzte büßen. Dabei könnte die Politik durchaus auch einen Beitrag zu geringeren Arzneikosten leisten, wenn sie den Mut hätte, die Mehrwertsteuer auf Medikamente zu senken. b.wientjes@volksfreund.de

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