Noch kein Bogen um Deutschland

Spätestens seit den Vorfällen am Wochenende in Mügeln ist die Debatte über rechtsextreme Gewalt in Ostdeutschland erneut voll entbrannt. Während sich die Politiker Sorgen machen, halten die Investoren noch still.

Berlin. Gestern schaltete sich auch die indische Botschaft in Berlin ein: Man erwarte von den Behörden eine vollständige Aufklärung der Ausschreitungen gegen acht Inder im sächsischen Mügeln, so Botschafterin Meera Shankar mit Nachdruck. Dies sei auch im Interesse der deutsch-indischen Beziehungen, fügte sie warnend hinzu. Die Ereignisse vom Wochenende in Mügeln haben die große Politik erreicht. Noch laufen die Ermittlungen auf Hochtouren, doch die Debatte über rechtsextreme Gewalt in Ostdeutschland ist erneut entbrannt. Die Investoren halten aber noch still. Einige Politiker sind sich bereits sicher: "Menschen mit dunkler Hautfarbe haben in Ostdeutschland ein um ein Vielfaches höheres Risiko, Opfer eines Übergriffs zu werden als in Westdeutschland", so der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD). Parlaments-Vizepräsident Wolfgang Thierse spricht sogar von einem "besonderen ostdeutschen, gewalttätigen Akzent" beim Rechtsextremismus. Die Debatte ist nicht neu: Im vergangenen Jahr wurde vor der Fußballweltmeisterschaft heftig über sogenannte "No-Go-Areas" im Osten gestritten, kleine und mittlere Städte, die Menschen anderer Hautfarbe lieber meiden sollten. Experten glauben aber nicht daran, dass es sich bei der rechten Gewalt allein um ein ostdeutsches Phänomen handelt: "Das ist mittlerweile vorbei. Die Intensität des rechten Auftretens ist zwar stark ostdeutsch geprägt, aber die Gewalt ist inzwischen deutschlandweit ein Thema", so Bernd Wagner, Chef der Aussteigerorganisation Exit. Besonders in den Städten der alten Bundesländer wachse die rechte Szene besorgniserregend an."Hetzjagd hat auch Einfluss aufs Image"

Dem Bundesinnenministerium zufolge wurde 2006 mit 18 100 Delikten der höchste Stand rechts motivierter Straftaten verzeichnet. Auch bei den rechten Gewalttaten habe es eine Zunahme im Vergleich zum Jahr 2005 um acht Prozent auf etwa 1100 gegeben. Fakt ist, "dass in Ostdeutschland die Zahl der rechtsextremen Straftaten höher ist als anderswo", sagte gestern der für den Aufbau Ost zuständige Minister Wolfgang Tiefensee (SPD). Tiefensee verurteilte die "Gewaltexzesse" und forderte rasche Aufklärung. Die Hetzjagd auf die Ausländer durch rund 50 zumeist junge Deutsche habe auch Einfluss "auf das Image Deutschlands im Ausland, das will ich nicht bestreiten." Nach Angaben der Bundesagentur "Invest in Germany", die im Auftrag der Bundesregierung ausländische Investoren anwerben soll, machen Unternehmen aber bislang keinen Bogen um den Standort. "Uns ist kein Fall bekannt, in dem sich ein Investor aufgrund der Befürchtung ausländerfeindlicher Übergriffe gegen den Standort Deutschland entschieden hätte", so Sprecherin Eva Henkel im Gespräch mit unserer Zeitung. Dennoch würden Ereignisse wie jetzt in Sachsen im Ausland genau registriert: "Für das Investitionsklima sind solche Vorkommnisse nicht förderlich", betonte Henkel. Werde ein Land als "offen, tolerant, gastfreundlich" wahrgenommen, komme dies der Wettbewerbsfähigkeit des Standorts deutlich zugute. Dies könne "bei einer knappen Entscheidung mit den Ausschlag geben für Investitionen".

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