Offen und eindeutig

Wer in diesem Land gerne lebt, wer eine offene, freiheitliche Gesellschaft als elementare Grundlage für das Zusammenleben von Menschen ansieht, wer das Miteinander vieler Kulturen nicht als Gefahr, sondern als Bereicherung und Chance begreift, wer es ernst meint mit Artikel 1 des Grundgesetzes, wonach die Würde aller Menschen unantastbar ist, dem müssen riesige Steinbrocken vom Herzen gefallen sein, weil die Münchener Neonazis hinter Schloss und Riegel sitzen. Und zwar ehe diese kranken Hirne ihre irrwitzigen Planungen in die Tat umsetzen konnten. Ein Blutbad in der neuen Synagoge der bayerischen Landeshauptstadt, möglicherweise mit Bundespräsident Johannes Rau als prominentestem Opfer, und das noch am geschichtsträchtigen 9. November - unvorstellbar und doch beinahe Wirklichkeit. Damit aber sind viele in diesem Land, die den rechtsradikalen Glatzen-Terror vor allem gegen Ausländer und jüdische Einrichtungen für eine vorübergehende Erscheinung hielten, in der rauen Wirklichkeit angekommen. Das, was die meisten von uns lange für undenkbar hielten, steht bevor. Die Rechtsextremen geben sich nicht mehr damit zufrieden, mit dümmlichen Hetzparolen bei öffentlichen Aufmärschen zu provozieren. Selbst körperliche Gewalt vor allem gegen Menschen mit anderer Hautfarbe ist anscheinend nicht mehr spektakulär genug, um von der Bevölkerung in großem Umfang wahrgenommen zu werden. Terror, Tod und Gewalt um jeden Preis - das ist zumindest in Teilen der rechten Szene zum Mittel politischer Auseinandersetzungen geworden. Diese Erkenntnis macht Angst in einem Land, das mit einer Vergangenheit lebt, die in beispielloser Weise gezeigt hat, wohin Hass und Rassenwahn führen können. Diese Erkenntnis macht aber auch Mut. Weil die Wachsamkeit wächst, die öffentliche Diskussion über das Thema lauter und eindeutiger werden wird. Vielen, die bisher noch ein gewisses Verständnis für rechte Parolen aufbrachten, werden die Augen endgültig aufgehen. Sensibilisierte Menschen aber sind weit weniger anfällig für rechte Rattenfänger. Terroristen sind Verbrecher, egal ob sie aus politischen, religiösen oder rassistischen Motiven handeln. Es gibt keine stichhaltige Begründung für Mord und Gewalt gegen wen auch immer. d.schwickerath@volksfreund.de

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