Papier ist geduldig

Ernsthaft hat ja wohl niemandgeglaubt, dass der deutsche Bundeskanzler und mit ihm die anderenStaats- und Regierungschefs der EU die europäische Einigunggänzlich an die Wand fahren würden. Europa hat sich deshalb inder Irak-Krise auf einen notdürftig gezimmerten, gemeinsamen Kursverständigt. Es ist eindeutig ein Kurs des verbalen Kompromissesgeworden und nicht der Überzeugung. In Wahrheit bleibt derKontinent auch nach dem Sondergipfel tief zerstritten. Dass derfranzösische Präsident im Stile eines Sonnenkönigs dieBeitrittskandidaten beschimpft, ist nur Ausdruck genau dieserinnereuropäischen Kluft. Ist Gerhard Schröder umgefallen? Mit dieser Diskussion hat der Kanzler zweifellos rechnen müssen, als er seine Unterschrift unter die Erklärung des Sondergipfels setzte. Schröder ist nicht umgefallen. Sondern er hat davon abgelassen, durch seine diplomatische Holzhammer-Methode deutsche Außenpolitik in ein europäisches Gewand kleiden zu wollen. Der Kanzler und auch seine EU-Kollegen sind endlich ihrer Verpflichtung nachgekommen, nach außen für ein Stück Gemeinsamkeit in der Irak-Frage zu sorgen. Durch die Zustimmung zu einem Kompromiss, der die friedliche Lösung des Konfliktes deutlich betont und die US-Kriegsstrategie nur als letztes Mittel ansieht.

Papier ist jedoch geduldig. Wenn im UN-Sicherheitsrat also irgendwann über Krieg und Frieden abgestimmt werden sollte, dann wird sich wirklich zeigen, ob Schröder Friedenspapst oder Wendehals ist.

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