Patient ist der Dumme

Exakt 58 896 Medikamente waren bis Mitte Mai in Deutschland zugelassen. Ein undurchdringlicher Dschungel, der täglich dichter wird, weil immer neue Pülverchen hinzu kommen. Die Pharma-Industrie bringt ständig neue, angeblich bessere Produkte auf den Markt.

Dabei funktioniert der Pillen-Markt genauso wie der für alle anderen Waren auch: Verkauft sich eine Salbe nicht mehr, dann wird zunächst versucht, sie mit Werbung und neuer Verpackung attraktiver zu machen. Zieht das auch nicht und gibt es ein ähnliches Produkt billiger, kann es sein, dass die Salbe ganz aus den Regalen verschwindet. Auch bei Pillen und Pulvern beherrschen der Markt und das Profitstreben und nicht in erster Linie das Wohl des Patienten die Unternehmensstrategie. Und dieser Markt musste dringend mal sauber gemacht werden. Obwohl längst bessere Medikamente mit fast gleichem Namen verkauft wurden, gab es bis zum 1. Juli immer noch die alten Mittel. Jetzt wären neue Tests fällig geworden. Verständlich, dass die Pharmahersteller keine Lust haben, dafür noch Millionen auszugeben. Also hat man sie so lange verkauft, bis von Amts wegen Schluss war. Von sich aus hätten die Pillendreher ihre Mittel jedoch nie vom Markt genommen, solange sich vielleicht doch noch ein paar Euro damit verdienen ließen. Denn die Gewinnspannen bei vielen Medikamenten sind beachtlich, wenn sie erst einmal zugelassen und auf dem Markt sind. Es gibt noch etliche dieser mittlerweile bedeutungslosen, aber immer noch verkauften Mittel. Daher muss noch einmal kräftig durchgefegt werden. Die Verunsicherung bei Patienten, Ärzten und Apothekern ist allein der Pharma-Industrie anzulasten. Die Arzneimittelhersteller haben sich viel zu lange geziert, endgültig auf Präparate zu verzichten. Wenn erst kurz vor dem Verkaufsverbot die über 300-seitige Löschliste vollständig ist, ist Ärger in der Praxis und Apotheke programmiert. Der Dumme ist der Patient. Ihm wird ganz zum Schluss am Apothekentisch beiläufig gesagt, dass es sein bis vor einem Monat noch verschriebenes Mittel gar nicht mehr gibt. b.wientjes@volksfreund.de

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort