Politische Eintagsfliege

Es muss mit Wolfgang Clements Herkunft zu tun haben (der Multi-Minister stammt aus der Zechen-Stadt Bochum), dass er anfällig ist für Subventionen. Zig Milliarden Euro hat der Steuerzahler schon in den Bergbau versenkt, um die teure deutsche Steinkohle international wettbewerbsfähig zu halten. Gerettet hat dies die meisten Zechen im Ruhrpott nicht, nur ihr Sterben ein wenig verzögert. Dennoch scheut nun das gebrannte Kind Clement das Feuer nicht.Statt den ohnehin viel zu dichten deutschen Subventionswald endlich zu lichten, denkt der mit viel Vorschusslorbeeren bedachte Bundeswirtschaftsminister nun über eine neue staatliche Wohltat nach. Damit Deutsche an den Grenzen zu Luxemburg, Tschechien, Polen oder Österreich nicht zum Tanken schnell mal rüber fahren, will Clement dort den Sprit verbilligen - auf das Niveau im Nachbarland.Was für die womöglich betroffenen deutschen Autofahrer zunächst verlockend klingen mag, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als populistisches Windei. Schon die Abgrenzung der deutschen Billig-Tank-Regionen würde zu einem heillosen Tohuwabohu führen. Wer soll die Benzin-Rabatt-Karte bekommen? - Der Autofahrer aus Leiwen, weil der Kreis Trier-Saarburg an Luxemburg grenzt, während sein Kollege im nur wenige Kilometer entfernten Trittenheim das Pech hat, im Kreis Bernkastel-Wittlich zu wohnen?Keine Rede mehr von Steuergerechtigkeit; der Ärger wäre programmiert, das Schindludertreiben auch. Denn wer, bitteschön, würde kontrollieren, wenn etwa Herr Müller aus dem dann vielleicht subventionierten Herforst (Bitburg-Prüm) seinem im "Vollzahler-Ort" Binsfeld (Bernkastel-Wittlich) lebenden Schwager die Rabatt-Karte leiht? Und was passierte in einem solchen Fall mit dem Tankwart, der ja eigentlich Beihilfe zur Steuerhinterziehung leistet? Und warum, bitteschön, sollten Tankstellen subventioniert werden, nicht aber grenznahe Tabakläden oder Kaffeegeschäfte? Und wenn schon, denn schon! Jeder Handwerksmeister auf deutscher Seite, der mit seinem Betrieb nicht rüber macht, bekommt gefälligst die paradiesischen Luxemburger Steuersätze.Wenn Clement schon dabei ist, muss er sich auch Sonderregelungen für alle Arbeitnehmer diesseits der Grenze einfallen lassen. Schließlich verdienen Grenzgänger für die gleiche Leistung jenseits von Sauer und Our erheblich mehr, weil der Staat dort weit weniger raffgierig ist als hierzulande.Und was schlägt Super-Minister Clement für die Grenzregionen zu Polen oder Tschechien vor, wo Deutsche nicht nur zum Tanken oder Tabak kaufen rasch mal rüber fahren, sondern sich dort auch die Haare schneiden oder ihre Schuhe neu besohlen lassen? Subventionieren wir dort demnächst auch alle deutschen Friseure und Schuster? Fragen über Fragen, auf die Wolfgang Clement bislang eine plausible Antwort schuldig geblieben ist. Wahrscheinlich hat er mittlerweile selbst gemerkt, dass sein Billig-Sprit-Vorschlag genau so eine politische Eintagsfliege ist, wie die von Clement kürzlich ins Gespräch gebrachte Abschaffung von Feiertagen. r.seydewitz@volksfreund.de

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