Polizei statt Bundeswehr?

BERLIN. Der Vorsitzende der CSU, Edmund Stoiber, ist mit seiner Idee, Wehrpflichtige in Zukunft auch zur Polizei oder zum Bundesgrenzschutz einzuziehen, auf massive Ablehnung gestoßen.

"Um die Abwehr des internationalen Terrorismus zu stärken, sollten wir prüfen, die Wehrpflicht als sicherheitspolitische Dienstpflicht neu zu definieren", hatte Stoiber auf einem sicherheitspolitischen Kongress seiner Partei in München erklärt. Die Dienstpflicht könne dann nicht nur bei der Bundeswehr, sondern auch beim Zivil- und Katastrophenschutz sowie bei Bundesgrenzschutz oder Polizei abgeleistet werden. Mit dieser Idee stieß Stoiber beim Bundeswehrverband auf Ablehnung. Vorsitzender Bernhard Gertz erinnerte im Gespräch mit unserer Zeitung daran, dass die allgemeine Wehrpflicht in den ersten Jahren nach Gründung der Bundeswehr auch beim Bundesgrenzschutz abgeleistet werden konnte. "Damals war der Bundesgrenzschutz allerdings noch eine Militär-ähnliche Truppe". Die Möglichkeit des Wehrdienstes sei später mit der Umwandlung des Bundesgrenzschutzes in eine Bundespolizei abgeschafft worden, erläuterte Gertz. Als Ursache nannte er die unterschiedlichen Leistungsanforderungen. So umfasse die Ausbildung beim Bundesgrenzschutz und der Polizei "aus guten Gründen drei Jahre", bevor der Anwärter in den Dienst eintreten könne. "In einem neunmonatigen Grundwehrdienst könnte die erforderliche Ausbildung zum Beispiel im Polizei- und Ordnungsrecht nicht einmal in Ansätzen vermittelt werden", meinte Gertz. Insofern wäre der Polizei oder dem Bundesgrenzschutz auch nicht geholfen. Vielmehr würden Aufwand und Ertrag in einem "völlig unangemessenen Verhältnis" stehen. Zugleich verwies Gertz auf das Grundgesetz, wonach der Zweck der Wehrpflicht im Sicherheitsinteresse der Bundesrepublik begründet sei. "Für eine Änderung der Verfassung werden SPD und Grüne nicht die Hand heben", prophezeite der Verbandschef mit Blick auf die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit. Im Übrigen sei es bereits geltendes Recht, dass die Bundeswehr bei Naturkatastrophen oder großen Unglücksfällen zur Unterstützung der Polizei im Landesinneren eingesetzt werden könne. Auch für den verteidigungspolitischen Sprecher der SPD, Rainer Arnold, ist Stoibers Vorstoß "zum Scheitern verurteilt". Die Wehrpflicht müsse sich aus dem Verteidigungsauftrag legitimieren und nicht über ergänzende Dienste. Dagegen hält sein innenpolitischer Sprecherkollege Dieter Wiefelspütz den Vorschlag zumindest für nachdenkenswert. "Was Stoiber will, ist nicht abwegig, aber die Notwendigkeit dafür kann ich nicht erkennen", sagte Wiefelspütz gestern unserer Zeitung. Sowohl der Bundesgrenzschutz wie auch das Technische Hilfswerk hätten keinerlei Personalsorgen. Stoibers Überlegungen sind Teil eines außen- und sicherheitspolitischen Grundsatzprogramms, das die CSU-Führung heute in München beschließen will. Es ist für den Bundestagswahlkampf 2006 gedacht.

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