Problem mit Ansage

Autsch! Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes schmerzt. Nicht den Patienten, der in Zukunft weniger Sorge haben muss, dass vielleicht ausgerechnet dann, wenn er auf dem OP-Tisch liegt, ein übermüdeter oder aufgeputschter Mediziner am Ende seiner 60-Stunden-Woche das Skalpell führt. Weh tut der Richterspruch den Verantwortlichen der 2240 Kliniken in Deutschland, die nun sehen müssen, woher sie zusätzliche Ärzte bekommen. Die erheblichen Mehrkosten, die durch das neue Personal entstehen, werden auch bei den Politikern und Krankenkassen für erhebliche Kopfschmerzen sorgen. Dabei kommt das Urteil mit Ansage. Bereits im Oktober 2000 hatte das oberste europäische Gericht ähnlich entschieden, damals im Falle einer Klage aus Spanien. Schon damals gab es Berechnungen, dass in Deutschland in einem ähnlichen Fall mindestens 15 000 zusätzliche Klinikärzte eingestellt werden müssten. Wer glaubte, das Urteil würde mit Blick auf Deutschland anders ausfallen, muss sich den Vorwurf der Naivität gefallen lassen. Längst hätte die Vorbereitung auf den Ernstfall beginnen können, auch wenn es nach wie vor einige dicke Fragezeichen gibt: Wann muss die neue Vorgabe aus Luxemburg umgesetzt sein? Aussagen dazu gab es gestern nicht. Zwar hat die Bundesregierung angekündigt, dies solle schnellst möglich geschehen. Aber woher die Heerscharen neuer Ärzte nehmen? Auch darauf gibt es keine Antwort. Sicher ist jedoch, dass die Vokabel "Ärztenotstand" schon bald nicht mehr nur im Osten Deutschlands groß geschrieben werden muss. Und nicht zuletzt ist da natürlich die Frage nach dem Geld: Wer wird die Kosten für den besseren Behandlungs-Service in den Krankenhäusern tragen? Zumindest hierzu fällt die Prognose leicht: Es werden die Patienten sein, die Steuerzahler, Krankenversicherten und Privatpatienten. Viel neuer Diskussionsstoff also für die anstehende Gesundheitsreform. r.neubert@volksfreund.de

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