Probleme und Problemchen

Hohe Arbeitslosenquote und niedriges Wirtschaftswachstum, geringe Investitionen in Bildung und drohende Überalterung: glanzvoll steht Deutschland in dem Entwicklungsbericht der Vereinten Nationen nicht eben da.

Hohe Arbeitslosenquote und niedriges Wirtschaftswachstum, geringe Investitionen in Bildung und drohende Überalterung: glanzvoll steht Deutschland in dem Entwicklungsbericht der Vereinten Nationen nicht eben da. Wer jedoch über die nationalen Daten hinaus in dem Zahlenwerk blättert, verspürt wenig Lust, über die Lage Deutschlands zu lamentieren; angesichts vieler Zahlen des Berichts werden die Probleme hierzulande zu Problemchen.In afrikanischen Staaten wie Swaziland ist die durchschnittliche Lebenserwartung auf 33 Jahre gesunken. Grund ist vor allem eine HIV-Infektionsrate von fast 40 Prozent, doch auch Unterernährung und fehlende medizinische Versorgung ist in vielen Staaten der Erde immer noch - und in einigen mehr denn je - ein Problem. In Swaziland, um bei diesem Beispiel zu bleiben, sterben 105 von 1000 Kindern bei der Geburt, 153 erleben ihren fünften Geburtstag nicht.

Dass Länder wie Deutschland solche Zahlen nicht einfach hinnehmen können, steht außer Frage - zumal der UN-Bericht viele Beispiele von segensreichen Wirkungen sinnvoll eingesetzter Entwicklungsgelder aufführt. Mehr noch als Finanzhilfen würde jedoch ein gerechteres Weltwirtschaftssystem bewirken - vor allem die Reduzierung von Protektionismus und Subventionen im Agrarbereich.

Derzeit zahlen Landwirte aus den ärmsten Ländern die höchsten Zölle, wenn sie in die Industrie-Nationen exportieren. Gleichzeitig fördert die hohe Subventionierung von Agrarprodukten in den reichen Staaten die Überproduktion, drückt so den Weltmarktpreis und damit das Einkommen von Bauern, deren Regierungen keine Subventionen zahlen können. Es kommt noch schlimmer: In einigen Fällen subventionieren Industrie-Nationen auch noch den Export der zu viel produzierten Güter in ärmere Länder - und zerstören damit in diesen Regionen die Märkte. Exemplarisch für solchen Irrsinn ist die bisherige Zucker-Politik der EU.

Solche Fehlentwicklungen können nur auf internationaler Ebene korrigiert werden. Die Verantwortung für eine gerechte Weltwirtschaft aber allein den Politikern zuzuschieben, greift zu kurz. Ein Beispiel: Die Kaffee exportierenden Länder erhielten Ende der 80er Jahre noch rund zwölf Milliarden US-Dollar für ihre Ausfuhren. 2003 exportierten sie zwar mehr Kaffee, erzielten mit 5,5 Milliarden US-Dollar aber nur noch die Hälfte an Einnahmen. Gleichzeitig sind die Gewinnspannen der großen Kaffeeröster enorm gestiegen.

Angesichts solcher Fakten muss sich jeder fragen, ob er wirklich den billigsten Kaffee kaufen muss - oder ob er, der wirtschaftlichen Lage im eigenen Land zum Trotz, einige Cent drauflegt und ins Supermarktregal nebenan zur fair gehandelten Alternative greift.

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