Provokation und Quittung

So ähnlich müssen wohl die RAF-Prozesse einst gelaufen sein: Eine Schlacht um die Dominanz vor Gericht, ein Kräftemessen unversöhnlicher Gegner, politische Grundsatzerklärungen vermischt mit strafprozessualen Finten aller Art. Es waren fraglos die Angeklagten und ihre Verteidiger, deren Strategie, um jeden Preis Revisionsgründe zu schaffen, alle Ansätze einer ruhigen Rechtsfindung unmöglich machte. Wer das Gericht vorführen will, wer die Richterin der Vor-Instanzsystematisch beleidigt, der istoffenkundig nicht auf ein günstiges Urteil aus, sondern auf eine Märtyrer-Rolle. Das Trierer Landgericht hat bemerkenswert gelassen verhandelt, und so sachlich, wie angesichts der Umstände möglich. Und doch hat man die Chance versäumt, die entscheidende Begründung des Amtsgerichts zu untersuchen: das der pornographische Charakter des Textes durch sein Umfeld entsteht. Alle Anträge in diese Richtung wurden abgewiesen. Dabei wäre es für die Bewertung der Straftat nicht unbedeutend gewesen, etwa herauszufinden, ob der beanstandete Text authentisch ist oder eine zur Freude des pädophilen Publikums getürkte Fiktion. Für solcherlei Differenzierung war kein Platz mehr in der vom Staatsanwalt zitierten Logik von Provokation und Quittung. So bleibt das Urteil zweischneidig. Das Gericht hat sich nicht auf die Selbststilisierung der Angeklagten als wackere Kämpfer für die Meinungsfreiheit eingelassen. Wer das Vorstrafenregister gehört hat, das in dem einen Fall Kindesmissbrauch und im anderen den Handel mit Kinderporno-Videos umfasst, wird darüber Genugtuung empfinden. Aber um verurteilen zu können, musste man das bestehende Recht sehr weit dehnen. Kein idealer Weg zur Rechtsfindung. Und eine weiterhin dringende Aufgabe für den Gesetzgeber, das rechtliche Instrumentarium zu verbessern. d.lintz@volksfreund.de

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