Rasur im ländlichen Raum

BERLIN. Renate Künast drohen massive Mittelkürzungen – ausgerechnet beim zentralen Pfeiler ihrer Agrarpolitik: des ökologischen Landbaus und der regionalen Ausrichtung.

Die Zeiten für Renate Künast sind alles andere als rosig. Nicht deshalb, weil die Landwirtschaftsministerin im ständigen Clinch mit dem Bauernverband liegt oder die Opposition nicht müde wird, die Grüne zu „Ankündigungsministerin“ abzustempeln. So etwas lässt sich ganz gut aushalten.

Künast muss derzeit einen zehrenden Kampf gegen das Bundesfinanzministerium führen, und dabei geht es um viel: Sollte die Ministerin diesen Streit verlieren, wäre die Agrarwende, die sie nach ihrem Amtsantritt im Januar 2001 vollzog und die sie jetzt in einer weiteren Stufe „in die Breite bringen“ will, erheblich gefährdet. Die Drohung, die dem Vernehmen nach Künast vor einigen Tagen aus dem Hause von Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) auf den Tisch flatterte, ist eindeutig: Gelingt es der Agrarministerin nicht, im Zuge der Brüsseler Verhandlungen um die künftige Finanzierung der Europäischen Union erhebliche Einsparungen zu erzielen, muss ihr nationaler Haushalt bluten, und zwar massiv. So einfach ist das.

Konkret wird im Ministerium der Finanzen erwartet, dass die Zahlungen aus Deutschland für die ländliche Entwicklung um ein Drittel gekürzt werden. Nach dem Willen der EU soll Deutschland von 2007 bis 2013 stolze 22 Milliarden Euro in den vorgesehen Fonds einzahlen, aber nur neun Milliarden zurückbekommen. Das will das Finanzministerium nicht akzeptieren, deshalb erhöht es jetzt den Druck auf Künast. Hintergrund des schon länger wabernden, aber nun handfesten, regierungsinternen Zoffs ist, dass die Bundesrepublik und fünf weitere Nettozahler von der EU einen strengen Sparkurs für den neuen Finanzrahmen ab 2007 einfordern: Deutschland und die anderen Hauptgeldgeber wollen die eigene Belastung senken und die Ausgaben der Union auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzen. Künast steckt bereits in der Haushaltsmisere, ihr Etat beläuft sich in diesem Jahr auf rund 5,1 Milliarden Euro, satte 500 Millionen Euro weniger als noch 2004. Es zählt also jeder Cent. Das Finanzministerium droht der Grünen aber nicht nur unverhohlen mit Mittelkürzung, sondern ist darüber hinaus anscheinend auch unzufrieden, wie sie das Geld zur Förderung des ländlichen Raumes einsetzt. Das geht aus einem internen Positionspapier hervor. Eichels Haus fordert darin eine klarere Prioritätensetzung anstelle der von Fördermaßnahmen in Form eines ausufernden „Blumenstraußes“.

Ein harsches Urteil, sieht die Ministerin die Zukunft der Landwirtschaft doch in der regionalen Ausrichtung und Entwicklung, im ökologischen Landbau mit Bioprodukten und nachwachsenden Rohstoffen. Das ist der tragende Pfeiler ihrer Agrarpolitik. Das Finanzministerium, spottet nun die Opposition, bezweifle somit „den Sinn der Förderung von genau den Bereichen, die Frau Künast lieb und teuer sind“. Ein „heilloses Durcheinander“ herrsche innerhalb der Regierung, kommentiert Gerda Hasselfeldt von der Union. Während sie feixt, bleibt Rot-Grün jedoch gelassen: Von einem heftigen Streit beider Mini-ster ums Geld und um Förderprinzipien könne keine Rede sein, so die grüne Expertin Ulrike Höfken: „Da hatte ein Beamter eine Idee“, winkt sie lapidar ab. Die rot-grüne Koalition stehe vielmehr hinter Künast, weil im ländlichen Raum „die zentralen Wachstums- und Beschäftigungspotenziale liegen, die man nicht einfach abrasieren kann“. Einsparmöglichkeiten gebe es hingegen bei den EU-Strukturfonds. Womöglich erledigt sich Künasts Misere sowieso auf einfache Weise: Deutschland kommt der EU bei der Finanzplanung entgegen, wenn sie den Stabilitätspakt reformiert. So will es zumindest Kanzler Schröder – und das wäre ganz im Sinne seiner gebeutelten Ministerin.

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