Raus aus dem Tempel

Theater ist Luxus. Schließlich gehen 80 Prozent der Bevölkerung nie ins Theater. Aber dann sind auch Fußballstadien und Sporthallen Luxus. Und neu erschlossene Stadtviertel, Umgehungsstraßen, Hochschulen, Schwimmbäder, Radwege oder Parks.

Die Porta Nigra wird von den meisten Einheimischen auch eher selten genutzt. Ach so, und Kirchen nicht zu vergessen: Auch sie gehören zu jenen Einrichtungen, die von der Mehrheit der Menschen, die sie durch Steuern und Abgaben finanzieren, selten oder nie in Anspruch genommen werden. Und doch ist eine Stadt, in der es Theater und Schwimmbäder, Stadien und Denkmäler, Parks und Radwege, Kirchen und urbane Straßen gibt, eine andere als die, die auf solche Formen von Zivilisation verzichtet. Und nur sie ist konkurrenzfähig im Kampf um Menschen und Märkte. So gesehen, ist Theater alles andere als Luxus. Es ist ein Leuchtturm über dem Gestrüpp von Dschungelcamps, Zapp-Kultur, Beliebigkeit und Trends mit immer kürzeren Halbwertszeiten. Wer in düsteren Zeiten Leuchttürme ausschaltet oder ihr Licht dimmt, riskiert eine Havarie auf hoher See. Da scheint das kleine Trier im Moment klüger zu sein als das große Saarbrücken. Das ist ein schönes Gefühl. Freilich müssen die Theater auch mehr tun, als einer winzigen Bevölkerungsgruppe ein hoch subventioniertes Edel-Unterhaltungsangebot zu liefern. Um Akzeptanz muss man werben, und zwar nicht nur beim erlauchten Bildungspublikum. Raus aus dem Tempel, ran an die Menschen: Theater, das mit seinen Leuten in Hochschulen und Kneipen, in Schulen und Laiengruppen, in Musikkapellen und Kirchen, aber auch auf dem "flachen Land" präsent ist, vergrößert seine Überlebenschancen. Und sparen, wo es kann, muss es natürlich auch. Allerdings sollten die Politiker aufhören, ihr falsches Spiel zu spielen: Sie haben über Jahrzehnte in den Theatern Strukturen geschaffen, gegenüber denen jede Behörde als Muster an Beweglichkeit erscheint - und tun jetzt so, als wüssten sie nichts davon. Tarifverträge im Dutzend, das komplette öffentliche Dienstunwesen in einem künstlerischen Betrieb, Lebenszeit-Verträge für einen Großteil des Personals: Wer solche sozialen Segnungen verteilt hat, kann jetzt von hilflosen Intendanten nicht verlangen, mal eben 20 Prozent der Kosten einzusparen - wohlwissend, dass 80 Prozent sowieso festliegen. Die letzte Konsequenz solch geistreicher Sparpolitik liegt auf der Hand: Das Theater spielt mangels Geld nicht mehr, und kostet dafür nur noch Dreiviertel des ursprünglichen Etats. Da jubelt der Stadtkämmerer. d.lintz@volksfreund.de

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