Reform der Reform

Es ist mit Sicherheit noch zu früh, das Scheitern von Hartz IV zu verkünden. Doch die Entwicklung der Arbeitsmarktreform seit dem Start nimmt auch dem kühnsten Optimisten den Wind aus den Segeln. Wenn sich die Situation nicht grundlegend ändert, und zwar noch im Jahr 2005, wird eine Reform der Reform unumgänglich sein.

Es ist mit Sicherheit noch zu früh, das Scheitern von Hartz IV zu verkünden. Doch die Entwicklung der Arbeitsmarktreform seit dem Start nimmt auch dem kühnsten Optimisten den Wind aus den Segeln. Wenn sich die Situation nicht grundlegend ändert, und zwar noch im Jahr 2005, wird eine Reform der Reform unumgänglich sein. Die Befürchtungen haben sich bestätigt: Wer ohne eigenes Verschulden seinen Job verliert, muss in Zukunft jede Arbeit annehmen oder seine Ersparnisse plündern, bevor er ein Anrecht auf staatliche Leistungen hat. Die hohen Erwartungen haben sich jedoch ins Gegenteil verkehrt. Die Kommunen, die laut Ankündigung von "Superminister" Wolfgang Clement (SPD) 2005 um 2,5 Milliarden Euro entlastet werden sollen, müssen nach Ansicht des Städtetags bis zu fünf Milliarden drauflegen. Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften wurde offenbar wesentlich niedriger geschätzt als sie tatsächlich ist. Kein Wunder. Die Gründung der Arbeitsgemeinschaften – kurz Arges – war eine Aufgabe, für die Städte und Kreise auf der einen und die Agenturen für Arbeit auf der anderen Seite Jahre gebraucht hätten. Doch sie hatten nur ein paar Monate. Zwei Transfersysteme wurden zu einem einheitlichen Leistungssystem zusammengeführt, zwei unterschiedliche Administrationskulturen trafen aufeinander. Mitarbeiter der Verwaltungen und der Arbeitsagenturen wurden zusammen in die Arges gesetzt, behielten aber ihre alten Dienstherren – deren Denkansätze und Interessen nicht deckungsgleich sein müssen. Die teuren Folgen der zu kurzen Vorbereitungszeit zeigen sich jetzt. Wer in den Reihen der Arbeitsuchenden Befürworter von Hartz IV finden will, fühlt sich wie ein Schalke-Anhänger im Fan-Block von Bayern München. Man hört nicht viel von effektiver Vermittlung von Arbeitsplätzen, dafür um so mehr von nicht erreichbaren Sachbearbeitern, chaotischen Abläufen, endlosen Kämpfen mit undurchsichtigen Formularen, deren Interpretation sich die Betroffenen mangels Beratung selbst beibringen müssen. Auf diese Weise werden Rot-Grün und Hartz IV mit Sicherheit nicht im positiven Sinn in die Geschichte eingehen. j.pistorius@volksfreund.de

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