Reine Helden

Blut, Schweiß, Tränen, Jubel, Duelle Mann gegen Mann, Mensch gegen Berg - die 100. Tour de France lieferte alle Zutaten, aus denen Helden gemacht werden. Verfilmbar in Hollywood. Hier Lance Armstrong, der den Krebs besiegt hat und als alleiniger Favorit gestartet war.

Dort Jan Ullrich, der wie Phönix aus der Asche emporstieg. Am Boden hatte er gelegen. Drogenprobleme, Sperre, Verletzungen, der Abschied vom Team Telekom, Zweifel, ob er jemals wieder der Alte werden würde. Dann der Neuanfang bei einem Team, das pleite ging, die erneuten Zweifel, ob er überhaupt bei der Tour starten dürfe. Und dann der kometenhafte Aufstieg - nicht nur in den Pyrenäen. Deutschland hat wieder einen Helden. Es wurde mitgezittert, es keimte eine Euphorie auf wie einst 1997, als Ullrich die Tour der Leiden gewonnen hatte. In den seither vergangenen sechs Jahren büßte der Radsport viele Sympathiepunkte ein. Drogenrazzien, systematisches Doping, Sperren - schwarze Schatten lagen über Fahrern und Teams. Die Jubiläums-Tour 2003 hingegen ist sauber geblieben. Für das Image fast noch wichtiger als der dramatische Zweikampf der Protagonisten Ullrich und Armstrong. Eine ganze Sportart hat ihre Glaubwürdigkeit wieder gewonnen, wenn auch viele Menschen nicht glauben können, dass die 3000 Kilometer lange, dreiwöchige Dauerstrapaze ohne unerlaubte Hilfsmittel zu bewältigen ist. Wer die Bilder der von Qual zerfressenen Gesichter in den Bergen sah, wird sich diese Frage immer und immer wieder stellen. Aber Armstrong und Ullrich lieferten bei den täglichen Kontrollen den Beweis ihrer Reinheit ab. Und gerade Ullrich, dem seine Vorbild-Funktion nach den Drogenpillen in der Disco abgesprochen wurde, ist auf der Sympathieskala nach oben geklettert. Respekt und Fairness gepaart mit der Anerkennung des Gegners - dies wurde nicht nur deutlich, als er in den Bergen auf den zuvor gestürzten Armstrong wartete und sich so vielleicht den Tour-Sieg vermasselte. Dass dann ausgerechnet ein Ullrich-Sturz die Entscheidung brachte, ist typisch für diese Tour der Dramen. So entstehen Legenden. b.pazen@volksfreund.de

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