Robin-Hood-Ökonomie

Die Reaktion der SPD auf die neue Linkspartei zeigt alle Anzeichen wilder Panik. Mittwochs werden Gysi und Lafontaine als skrupellose Machtpolitiker gebrandmarkt, donnerstags als Feiglinge, die vor der Macht davonlaufen, wenn sie sie erstmal haben.

Freitags geißelt man sie als vaterlands- und verantwortungslose Linksextremisten, samstags als verkappte Rechtspopulisten. Nach dem Motto: Der Inhalt ist eh wurscht, irgendwas wird schon hängen bleiben. Und sonntags sitzt Grandseigneur Hans-Jochen Vogel bei Christiansen und echauffiert sich mit hochrotem Kopf dermaßen über den abtrünnigen Oskar, dass einem der Umgangston von Papst Wojtyla gegenüber den Küngs und Drewermännern im Nachhinein geradezu liebevoll-zurückhaltend erscheint. Dabei ist Ketzer Lafontaine von den Positionen, die die SPD einst unter Vogel vertreten hat, womöglich heute weniger weit entfernt als der amtierende Bundeskanzler. Das alles wird natürlich nicht das Geringste nützen. Denn die Wähler des Linksbündnisses machen ihr Kreuzchen nicht, weil sie Oskars Charakter oder Gysis rhetorischen Glanz lieben. Sie wählen die Linke, weil sie im Eiltempo den Platz des Anwalts der "kleinen Leute" besetzt hat, den die SPD freiwillig geräumt hat. Nun rechnen sich in Deutschland mindestens zwei Drittel der Bevölkerung zu den kleinen Leuten, die meisten zu Unrecht. Aber die zehn Prozent, die reale Verlierer der Schröder'schen Reformpolitik sind, und die weiteren 15 Prozent, die Angst haben, bald dazu zu gehören, reichen der Linkspartei als Potenzial allemal aus. Die etablierten Parteien begehen einen folgenschweren Irrtum, wenn sie diese Bevölkerungsgruppe als diffuses Protest-Potenzial beiseite schieben, das bald wieder verschwindet. Es geht um Menschen, die ihre elementaren Interessen nicht mehr vertreten sehen. Gelingt es nicht, sie mit ins Boot zu nehmen und ihnen reelle Chancen zu vermitteln, werden sie auf Dauer ihren eigenen politischen Weg gehen. Sie werden dabei allerdings nicht lange bei Gysi und Lafontaine bleiben, wenn sie merken, dass deren simple Rezepte nicht aufgehen. Den Reichen nehmen, den Armen geben, solcherlei Robin-Hood-Volkswirtschaft genügt allenfalls für den Sherwood Forest. Für die moderne, globalisierte Ökonomie wird es intelligentere Ideen brauchen. Und Politiker, die dem herrschenden Klassenkampf von oben keinen altbackenen Klassenkampf von unten entgegensetzen, sondern ein Gesamt-Konzept, das Chancen und Lasten entlang den Möglichkeiten der Menschen verteilt. Und das zumindest die Perspektive bietet, Zukunftsprobleme zu lösen, ohne dass die Gesellschaft auseinanderfliegt. So lange die großen Volksparteien das nicht bieten, werden Gysi, Lafontaine & Co. mit Erfolg an den Toren des Reichstags rütteln. d.lintz@volksfreund.de

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