Rückwärts in den Tod

"Landwirtschaft. Arbeit. Zukunft." Das Motto des Deutschen Bauerntages strahlt Selbstbewusstsein und Optimismus aus. Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft erarbeiteten mit vier Millionen Beschäftigten 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sagt Bauernpräsident Gerd Sonnleitner und schließt daraus, die Landwirtschaft sei fest am Standort Deutschland verwurzelt.

"Landwirtschaft. Arbeit. Zukunft." Das Motto des Deutschen Bauerntages strahlt Selbstbewusstsein und Optimismus aus. Land-, Forst- und Ernährungswirtschaft erarbeiteten mit vier Millionen Beschäftigten 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, sagt Bauernpräsident Gerd Sonnleitner und schließt daraus, die Landwirtschaft sei fest am Standort Deutschland verwurzelt. Damit das so bleibe, müsse die Branche wettbewerbsfähiger werden, fordert Sonnleitner und erklärt auch, wie: vor allem durch eine Lockerung von Vorgaben und Standards. Dabei übersieht oder verschweigt er, dass die wahren Probleme tiefer liegen. Alles deutet darauf hin, dass die Landwirtschaft in ihrer heutigen Form in unseren Breiten nicht zu retten ist. Die Gewinnspanne sinkt und sinkt. Eine Zeit lang können diese Verluste vielleicht noch durch Vergrößerungen der Betriebe aufgefangen werden. Doch die Entwicklung des Milchpreises gibt die Richtung auch für andere Agrar-Produkte vor. Zwischen Januar und Mai erhielten Landwirte rund 27 Cent pro Liter Milch – die Produktionskosten liegen bei durchschnittlich 32 Cent. Das Gros der deutschen Bauern kann im Zeitalter der Globalisierung nicht mehr zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren. Damit nicht genug. Das meist magere Einkommen der Landwirte – 2004 lag ihr durchschnittliches Monatbrutto bei 1542 Euro, im Vergleich zu 2507 Euro im produzierenden Gewerbe – speist sich zu einem erheblichen Teil aus EU-Subventionen, die nicht dauerhaft zu halten sind. Der Brüsseler Gipfel am vorigen Wochenende scheiterte nicht zuletzt an der Forderung Großbritanniens, die Agrarausgaben zu kürzen. Für die Finanzperiode bis 2013 werden die Subventionen für die Landwirtschaft, die fast die Hälfte des EU-Etats ausmachen, voraussichtlich zwar weiter fließen. Danach führt an einer deutlichen Senkung aber kein Weg vorbei. Was bedeutet das? Dass mittelfristig nur die Bauern überleben werden, die neue Wege gehen. Die zum Beispiel auf Biomasse und regenerative Energien setzen. Oder diejenigen bedienen, die Wert auf Lebensmittel aus der Region legen, auf hohe Umwelt- und Tierschutzsstandards, auf ökologische Produktion. Zahlreiche Schwerpunkte, die Renate Künast mit ihrer viel gescholtenen Agrarwende gesetzt hat, liegen deshalb keineswegs nur im Interesse der Verbraucher. Die Politik der grünen Ministerin stößt die Bauern – bei allen Problemen, die sie ihnen in der Praxis bescheren mag – dazu an, sich Geschäftsfelder zu erschließen, die Landwirtschaft, Arbeit und Zukunft sichern. Wer nun in der Agrarpolitik den Rückwärtsgang einlegen will, weil er darauf setzt, sich dann nicht nach vorn bewegen zu müssen, fällt das Todesurteil über seinen Hof. i.kreutz@volksfreund.de

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