Schöne neue Welt

Die Diskussion um das Rauchen nimmt in Deutschland allmählich hysterische Züge an. Es geht längst nicht mehr um den - notwendigen - Jugend- und Nichtraucherschutz, wir sind auf dem Weg zu einer Anti-Raucher-Stimmung, die Nikotin-Konsumenten zu sozialen Parias degradiert.

Dass es Rauchverbote in Bereichen gibt, wo Raucher und Nichtraucher sich gemeinsam aufhalten müssen, ist vernünftig. Dass die Gesellschaft den Zigaretten-Konsum Jugendlicher nicht mehr als Normalität hinnimmt, war schon lange überfällig. Aber damit muss es dann auch gut sein.Schon der Umstand, dass die Bahn, obwohl sie problemlos Raucher- und Nichtraucherzonen abtrennen könnte, ein totales Rauchverbot verhängt, ist nicht Nichtraucher-Schutz, sondern Raucher-Diskriminierung. Gleiches gilt für Einzelbüros in öffentlichen Gebäuden. Oder das Raucherzimmer im Gericht.

Der neueste Dreh an der Eskalations-Schraube kommt nun von der SPD. Es wäre zu kurzsichtig, den Vorschlag mit den "Abschreck-Bildern" auf der Zigaretten-Packung allein wegen seiner offenkundigen Nutzlosigkeit abzutun. Natürlich weiß jeder Raucher, dass das, was er tut, ungesund ist - und qualmt trotzdem.

Aber es geht um etwas Grundsätzliches. Es geht darum, dass ein erwachsener, bei normalem Verstand befindlicher Mensch das Recht haben muss, zu rauchen, obwohl er die Folgen kennt. Motorrad zu fahren, obwohl es riskant ist. Zu viel zu essen, auch wenn er seinen Cholesterinspiegel ruiniert. Auf Berge zu klettern, obwohl man abstürzen kann. Vom 10-Meter-Brett zu springen, auch wenn ein Bauchklatscher droht. Sich bisweilen zu betrinken, obwohl jedesmal etliche Gehirnzellen dran glauben müssen. 70 Stunden in der Woche zu arbeiten (liebe Politiker), obwohl es ihn dem Herzinfarkt näher bringt. Und all das, ohne dass ihn Gesundheits-Apostel mit einer penetranten Erziehungs-Diktatur behelligen.

Das hat etwas mit den Grundprinzipien einer freiheitlichen Gesellschaft zu tun. Wer jetzt für die schwarze Lunge auf der Zigarettenpackung ist, muss konsequenterweise auf jede Weinflasche eine Zirrhose-Leber, auf jede Schokoladen-Packung einen Sumo-Kämpfer, auf jede Auto-Motorhaube ein Genickbruch-Röntgenbild kleben. Und irgendwann wird dann die Vorschrift erlassen, wie viel Zeit ein Durchschnittsbürger walkenderweise an der frischen Luft zuzubringen hat, wenn er seinen Versicherungsschutz nicht verlieren will.

Damit es einen vor dieser schönen neuen Welt gruselt, muss man kein Raucher sein.

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