Schily: "Keine akute Gefahr"

BERLIN. Nach den Terroranschlägen in London sind in allen westeuropäischen Hauptstädten die Sicherheitsvorkehrungen umgehend erhöht worden. Deutschland ist nach den Worten von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) aber nicht unmittelbar gefährdet.

Als die ersten Meldungen über die Terroranschläge in London wasserdicht waren, wurde gestern im Kanzleramt schnell eine Krisenrunde einberufen: Außenminister Joschka Fischer, Innenminister Otto Schily, Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier und Vertreter der Sicherheitsinstitutionen eilten herbei, um über eine mögliche neue Gefahrenlage für die Bundesrepublik zu beraten. Ausrufung des "Ereignisfalles"

Anschließend trat der Innenminister mit dem Ergebnis des Gesprächs vor die Presse: "Aktuell", beruhigte Schily die Bundesbürger, gebe es keine Hinweise auf eine "verstärkte Gefährdungslage" in Deutschland. Im Terrorabwehrzentrum in Berlin-Treptow wurde dennoch der "Ereignisfall" ausgerufen. Dort laufen nun alle sicherheitsrelevanten Informationen zusammen. Verstärkt wurde die polizeiliche Präsenz bei der Bahn, an Flughäfen und an Grenzübergängen. Darüber hinaus beriet der Staatsschutz die Lage. In Berlin wurden die Sicherheitsvorkehrungen an britischen Einrichtungen noch einmal verstärkt. Gleiches galt für die Gebäude des Bundestages. Innenminister Schily, dessen für heute geplante Aussage im Visa-Untersuchungsausschuss abgesagt wurde und der stattdessen voraussichtlich nach London reisen wird, betonte, dass man die Sicherheitsmaßnahmen auf "hohem Niveau" bundesweit noch einmal erhöht habe. Es gebe aber keinen Grund zur Panik: "Wir müssen selbstbewusst, wachsam, entschieden, aber auch gelassen sein", riet der Minister. Mit Blick auf die Fußballweltmeisterschaft 2006 oder den Weltjugendtag im August in Köln, zu dem auch der Papst anreisen wird, meinte Schily: "Es kann nicht sein, dass wir uns von Terroristen vorschreiben lassen, ob Großereignisse stattfinden oder nicht." Das politische Berlin zeigte sich über die Parteigrenzen hinweg gestern geschockt angesichts der verheerenden Attentate. Bundeskanzler Gerhard Schröder teilte vom G 8-Gipfel mit, er habe "mit größter Betroffenheit" von den Anschlägen erfahren. Er verurteilte die "ebenso feige wie heimtückisch durchgeführte Aktion" aufs Schärfste. Bundespräsident Horst Köhler übermittelte Königin Elizabeth II. im Namen der Deutschen sein Beileid: Man wisse nicht, "von welchen menschenverachtenden Überzeugungen diese scheußlichen Akte geleitet worden sind", schrieb der Präsident. "Aber wir werden uns dem Terrorismus nicht beugen." Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel meinte, es handele sich bei den Anschlägen nicht nur um einen "Angriff auf das britische Volk", sondern um einen "Angriff auf Demokratie und Freiheit." Außenminister Joschka Fischer sagte, "die menschenverachtenden Anschläge erfüllen uns mit Entsetzen und Abscheu". Das Auswärtige Amt und die deutsche Botschaft in London stünden im engen Kontakt mit den britischen Behörden. Noch ist nicht klar, ob sich unter den Opfern auch Deutsche befinden. Manch einer fühlte sich dennoch berufen, kurz nach den Terroranschlägen Forderungen zu stellen: So plädierten Union und FDP dafür, schnell vermeintliche Sicherheitslücken in Deutschland zu schließen. Innenminister Schily mahnte jedoch, angesichts der Opfer inne zu halten und jetzt nicht den Versuch zu starten, "politische Geländegewinne" erzielen zu wollen.

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