Schilys Schwachstellen

Otto Schily ist ein Kaliber für sich. In seinem Hause könne jeder das machen, was er wolle, lautet ein geflügelter Ausspruch des Bundesinnenministers.

Otto Schily ist ein Kaliber für sich. In seinem Hause könne jeder das machen, was er wolle, lautet ein geflügelter Ausspruch des Bundesinnenministers. Auch die Opposition im Visa-Untersuchungsausschuss bekam jetzt die gnadenlose Härte des "roten Sheriffs" zu spüren. Mit seinem wohl kalkulierten Rede-Marathon trieb Schily Union und FDP fast zur Verzweiflung. Trotzdem hat er sich dabei nicht unbedingt einen Gefallen getan. Denn wer die Leute mit stundenlangem Wortschwall müde machen will, hat auch etwas zu verbergen. Schily brauchte den Außenminister nicht in die Pfanne zu hauen. Das hatte Joschka Fischer schon vor Wochen selbst besorgt. Er trägt erklärtermaßen die Hauptverantwortung für die jahrelangen Missstände an deutschen Auslandsvertretungen hinsichtlich einer allzu laschen Visa-Vergabe. Schily hat jedoch eine Mitverantwortung. Schließlich ist es dem Innenminister trotz frühzeitiger Erkenntnisse über Visa-Erschleichung und Schleusertum nicht gelungen, Fischer zu schnellem Handeln zu bewegen. Diesen Vorwurf muss sich Schily gefallen lassen. Da nützt auch der Verweis auf die traditionelle Diskrepanz zwischen Innen- und Außenressort wenig. Schon zu Zeiten Helmut Kohls stand die Sicherheit in einem Spannungsverhältnis zur gewünschten Weltoffenheit. Aber erst unter der rot-grünen Bundesregierung wurden die Zustände in einigen Auslandsvertretungen unhaltbar, fühlten sich die Mitarbeiter beim Ansturm der Reisewilligen von der Berliner Zentrale im Stich gelassen. Gerade weil sich die Anzeichen dafür schon Mitte der 90er Jahre mehrten, hätten Fischer und Schily gewarnt sein müssen. Der Innenminister mag einen starken Auftritt gehabt haben. An den entscheidenden Stellen ist er schwach geblieben. nachrichten.red@volksfreund.de

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